GaloppOnline.de: Gibt es Meinungsunterschiede im Rennsport?
Andreas Tiedtke: Es gibt Einzelmeinungen, wie die von Herrn Dr. Göhner. Grundsätzlich wird unser Verband aber von den demokratisch gewählten Gremien vertreten und diese haben mehrfach die Haltung des Rennsports bestätigt.
GaloppOnline.de: Wie ist die Haltung des Dachverbandes des Rennsports und wie lauten die Argumente?
Andreas Tiedtke: Man muss klar herausstellen, dass das Direktorium und die Rennvereine nur einen Auftrag haben, nämlich die Vollblutzucht zu fördern und dafür Leistungsprüfungen abzuhalten. Dies steht im Tierzuchtgesetz und dies spiegelt sich in der Privilegierung des Totalisators im Renn- und Lotteriegesetz wieder. Der Totalisator war und ist ein wichtiges Finanzierungsinstrument der gesamten deutschen Vollblutzucht.
GaloppOnline.de: Heißt das, dass die Devise „Alles in den Toto“ richtig ist?
Andreas Tiedtke: Grundsätzlich ja. Aber man darf nicht vergessen, dass es im Gegensatz zu Ländern mit langjährigen Monopolen (Frankreich, etc.) in Deutschland immer schon Buchmacher gab und gibt, die auch ihr Geschäft ausüben dürfen. Also ging auch früher nicht alles in den Toto. Allerdings hat der Buchmacher in Deutschland mit 16 2/3 Prozent versteuert.
Das ist seit Ende der 90ziger Jahre passé. Die Vermittlung der Umsätze aus dem stationären Geschäft und aus dem Internet ins Ausland führt dazu, dass der Buchmacher diese Steuer nicht mehr entrichten muss. Das ist legal und von den Behörden anerkannt.
GaloppOnline.de: Also verdient der Buchmacher jetzt auf Kosten des Rennsports, wie viele sagen?
Andreas Tiedtke: Die vermittelten Umsätze sind in der Tat ohne Effekte für den Rennsport. Verdienen ist relativ, dann würden wir ja immer mehr Buchmacher haben. Im Gegenzug sind die Kosten immens gestiegen. Ein Buchmachergeschäft muss im Jahr über 70.000 Euro für die gängigen Live-Bilder bezahlen. Diese Kosten waren vor Jahren viel geringer und allen macht zusätzlich die Sportwette mit geringen Kosten bei gleichzeitig geringen Risiken zu schaffen. Nicht zuletzt deshalb sinken die Umsätze auf Pferderennen – auch beim Buchmacher.
GaloppOnline.de: Warum hat sich dann der Rennsport entschieden, neben dem Toto-Angebot auch Buchmacher zu werden?
Andreas Tiedtke: Die Entwicklung war schon seit Jahren absehbar und deshalb haben die Gremien schon vor sechs Jahren beschlossen, andere Strukturen zu schaffen und aktiver am Markt zu sein. 2007 bei Gala Coral und 2009 zu German Racing sind die Beschlüsse mit breitester Mehrheit gefasst worden.
Über 390 Kommanditisten, unter Ihnen 15 Rennvereine, Rennvereins- und Aktivenverbände sind ebenfalls Kommanditist geworden. Deshalb auch die Beteiligung an RaceBets.com und der Betrieb der XXL-Shops in Köln und Krefeld. So profitiert der Rennsport an den Erträgen, die im Buchmachergeschäft gemacht werden. Parallel hat German Tote sich gut entwickelt und über 40 Millionen Euro Wettumsatz mit Frankreich gemacht.
GaloppOnline.de: 40 Millionen Euro deutscher Wetten in den Toto von Frankreich?
Andreas Tiedtke: Ja, in den Toto von Frankreich. Daher stellt sich die Frage: Warum ist das französische Produkt so attraktiv? Es gibt viele Gründe, zum Einen ist das Produkt täglich verfügbar, zum anderen weil die Abzüge auf Sieg und Platz deutlich niedriger sind, als in Deutschland. Bei weniger als 15% Abzügen würden in Deutschland weder die Rennvereine, noch die Vertriebspartner leben können. Und Vertriebspartner bräuchten wir auch bei „alles in den Toto“. Die Wirklichkeit ist komplexer als gedacht, da der Markt zumindest stagniert.
GaloppOnline.de: Ist die Sportwette eine Lösung?
Andreas Tiedtke: Wenn die Sportwette legal wird, macht es Sinn, unsere Vermarktungsmöglichkeiten zu nutzen (1 Million Zuschauer pro Jahr) und unseren Vertrieb mit diesem Produkt anzureichern. Das Geld fließt schließlich 1:1 zurück in den Rennsport. So haben wir es in dem Prospekt zum Beteiligungsmodell als mögliche Alternative dargestellt.
GaloppOnline.de: Ist die Liberalisierung der Sportwette ein Ziel des Direktoriums in Verhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag?
Andreas Tiedtke: Sicherlich sind wir nicht grundsätzlich gegen die Liberalisierung. Wenn es zu einer Lizenzsierung kommt, haben wir langjähriges Know-How und können nachweisen, dass wir lange schon Wetten verantwortlich, jugendschutzgemäß und betrugsbekämpfend durchführen. Die Gewinne fließen immer einem gemeinnützigen Zweck zu. Wichtiger ist es aber einige Punkte zu verhindern, die im Rahmen der Monopolversion den Tod der Pferdewette bedeuten würden.
1.) Verbot der Internetwette – hier verlieren wir sofort ein eineinviertel des Umsatzes und die Kunden wandern in Grau- und Schwarzmärkte ab.
2.) Verbot der Auslandswette bzw. deren Doppelbesteuerung. Wenn auf eine französische Totowette neben der französischen Steuer noch zusätzlich 16 2/3 abgezogen würden, ist das Produkt völlig unattraktiv und der Wetter wendet sich anderen Gewinnmöglichkeiten zu.
3.) Erfassung aller Spieler in einer Spielersperrdatei. Diese Frage ist existenziell. Stellen Sie sich den Derby-Tag oder den Großen-Preis von Baden-Tag vor. 20.000 Besucher müssten erfasst werden. Zusätzlich jede Wette und sobald ein Spieler im Monat ein Limit erreicht hat, darf er nicht mehr wetten. Das geht am Freizeit- und Eventcharakter unserer Veranstaltungen vorbei und ist technisch nicht abzuwickeln.
4.) Werbeverbote – Unser Markt ist rückläufig und im Gegensatz zu Lotto und anderen Spiel- und Wettarten nicht mehr im Bewusstsein der Bevölkerung. Können wir nicht für das Projekt werben, dann lässt sich der Totoumsatz nicht steigern.
GaloppOnline.de: Und wenn man die Buchmacher stark einschränkt und das Internetwetten verbietet, es also nur noch Totowetten auf der Rennbahn gäbe?
Andreas Tiedtke: Dann würde vielleicht der Bahnumsatz leicht steigen. Aber glauben Sie, dass bei -10 Grad im Winter oder bei starkem Regen im Sommer die Menschen in Massen auf die Galopprennbahn kommen? Es gibt so viele Freizeitmöglichkeiten. Und – im Einklang mit vielen Behördenvertretern glaube ich nicht, dass alle Internet-, Telefon und Geldverkehrswege ins Ausland so lückenlos geschlossen werden können, wie die Monopolbefürworter glauben.
Dies erfordert einen Überwachungsstaat und produziert – siehe Prohibition und die „schwarzen Buchmacher“ von früher – einen Grau-und Schwarzmarkt, der weder den Spieler schützt, noch uns zur Erfüllung des Auftrags hilft.
GaloppOnline.de: Sind die oben genannten Punkte abschließend und ist das Direktorium überhaupt kompetent genug, die Materie zu bearbeiten?
Andreas Tiedtke: Nein, die Punkte sind bei weitem nicht abschließend. Bundesrechtliche Fragestellungen, die sich aus den verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen ergeben, fiskalische Fragen, unter anderem der Doppelbesteuerung im Inland und Ausland, Fragen nach wettbewerbsrechtlicher Gleich- oder Ungleichbehandlung, Übergangsfristen, allgemein verfassungsrechtliche Fragestellungen sind zu berücksichtigen.
Hier hat das DVR bereits zur ersten Fassung des Glücksspielstaatsvertrages 2006/2007 Fragestellungen klären lassen. Laufend sind wir von einer führenden Kanzlei im Glücksspielrecht vertreten als auch im Gespräch mit anderen Verbänden und Marktteilnehmern. Die Angelegenheit hat bei uns höchste Priorität.
GaloppOnline.de: Sind Sie auch im Gespräch mit den Trabern?
Andreas Tiedtke: Die Traber bestehen aus zwei Abteilungen. Dem Hauptverband der Traberzucht und Rennen e.V. und der noch recht jungen privatwirtschaftlichen Firma Winrace von der Familie Herz. Leider hat es noch kein Gespräch mit dem Verband, dem HVT e.V. gegeben.
Es gibt aber laufend Gespräche mit der privatrechtlichen Vermarktungsfirma von Herrn Herz, Winrace GmbH, die aber im Gegensatz zu uns bestimmte wirtschaftliche Risiken eingehen kann, die wir als gemeinnütziger Zuchtverband in der Verantwortung für die Züchter, Besitzer und Aktiven, als auch für die Rennvereine nicht eingehen können und wollen. Wir müssen sehr auf Legalität achten. Deshalb arbeiten wir im Gegensatz zu Winrace auch nicht mit BWin zusammen.
GaloppOnline.de: Wann erwarten Sie Klarheit?
Andreas Tiedtke: Wahrscheinlich wird im März noch keine endgültige Entscheidung der Ministerpräsidenten getroffen werden. Wir erwarten dann im April Klarheit. Der Entwurf wird dann zur Notifizierung nach Brüssel gesandt und je nach Entwurf, wird ab dem 1.1.2012 oder ggf. erst 2013 abzuwarten sein, wie die Marktteilnehmer und insbesondere die Gerichte damit umgehen werden. Je restriktiver die Regelungen sein werden, desto mehr Prozesse werden geführt werden.
GaloppOnline.de: Kurz zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema: Was macht die Fernsehpräsenz?
Andreas Tiedtke: Die Spezialisten von Infront Sports and Media haben Herrn Baumgarten jun. und mir dankenswerterweise Gespräche mit einigen Sendern vermittelt und begleiten uns professionell dabei. Wir hatten gemeinsam bereits erste Gespräche und erwarten bis Ende Februar Klarheit, ich bin aber sehr optimistisch.