GaloppOnline.de: Wie war das Gespräch bei Ihrer Betreuerin?
Torsten Mundry: Ich merke es selbst und sie hat es mir bestätigt, dass ich auf einem guten Weg bin.
GaloppOnline.de: Was kann man sich darunter vorstellen?
Torsten Mundry: Ich blicke wieder optimistischer in die Zukunft, fühle ich mich stabiler, plane und arbeite auch wieder an meiner Zukunft.
GaloppOnline.de: Fangen wir vielleicht von vorne an. Was ist im Dezember, unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Hong Kong eigentlich passiert. Es gab die wildesten Gerüchte.
Torsten Mundry: Ja, die Gerüchte. Jeder im Sport weiß es besser, als der Betroffene. Mir sind auch einige zu Ohren gekommen. Aber dazu möchte ich keinen Kommentar geben. In Hong Kong hatte ich etwas Zeit zur Besinnung und dort habe ich den Entschluss gefasst, zurück in Deutschland einen Schlussstrich zu ziehen. Mir war klar, dass ich es ohne ärztliche Betreuung nicht mehr schaffen werde, da herauszukommen.
GaloppOnline.de: Woraus bitte?
Torsten Mundry: Aus dieser Spirale. Sie hatte mich immer weiter nach unten gezogen. Ich war im Laufe der Zeit nicht mehr dem Stress und Druck entsprechend gewachsen. Ich habe nur noch gedacht, wie kann ich alles richtig machen: Anerkennende Worte habe ich im Laufe der Zeit überhaupt nicht mehr wahrgenommen oder registriert. Ich habe nachts wach gelegen, immer wieder überlegt, ob alles richtig sei usw..
GaloppOnline.de: Sie haben dann gleich nach Ihrer Rückkehr aus Hong Kong ihren Arbeitgeber Herrn Baum informiert?
Torsten Mundry: Ja, aber es hatte auch schon vorher zu diesem Thema Gespräche mit Herrn Baum gegeben. Er hat meinen Entschluss mit Bedauern akzeptiert. Mir aber auch gleichzeitig geholfen, indem er die medizinische Versorgung vermittelt hat.
GaloppOnline.de: Die zunächst einmal in eine stationäre Behandlung führte?
Torsten Mundry: Das war ganz wichtig und unumgänglich. Die Klinik ist auf „Burn-out-Patienten“ spezialisiert. Als ich dort war, habe ich schnell gemerkt, dass mein Entschluss richtig war. Ich habe dort Patienten gesehen, die zu lange gewartet haben. Zugleich habe ich auch alles in Warendorf abgebrochen. Auch meine Lebensgefährtin Claudia ist zunächst einmal nach Düsseldorf zu ihren Eltern gezogen. Wir wollten den glatten Schlussstrich. So konnte ich mich ausschließlich auf meine Therapie konzertieren.
GaloppOnline.de: Es wurde schnell ein Nachfolger für Sie gefunden, tat dies für Sie weh?
Torsten Mundry: Ein wenig schon, denn ich hatte ja alles mit aufgebaut. Fast 20 Jahre haben wir in der Konstellation Baum, Mundry und Rau zusammengearbeitet. Die Trennung war sehr emotional, aber notwendig. Für mich stand fest, nicht mehr als Trainer nach Warendorf zurückzukehren. Die Arbeitsplätze von 20 Mitarbeitern standen auf dem Spiel. Herr Baum konnte diese retten, indem er mit Paul Harley einen Mann, der eine Menge Fachwissen mitbringt, verpflichtete.
GaloppOnline.de: Sie waren doch erst am Ende ihres dritten Trainerjahrs. Sie hatten 2009 einen furiosen Start, 2011 auch 22 Sieger und mit Durban Thunder ein Gruppe-I-Rennen gewonnen. Es gibt doch wohl schlimmere Bilanzen?
Torsten Mundry: Das sagen Sie so. Der Druck ist schon immens. Mit Sicherheit kommt auch hinzu, dass alles etwas viel und auch zu schnell ging. Der Umzug von Warendorf nach Sassenberg, da kamen doppelte Belastungen hinzu. Ein Fehler war sicherlich auch der direkte Umzug auf die Trainingsanlage. Dies hatte zwar Vorteile, aber auch seine Nachteile.
GaloppOnline.de: Würden Sie mal ein Beispiel Ihrer damaligen Gefühlswelt schildern?
Torsten Mundry: Als Durban Thunder im Sommer letzten Jahres ein Gruppe-I-Rennen in München gewann, war ich vor Freude obenauf. Aber nur ganz kurz, dann beschäftigte mich zum Beispiel mehr das Thema, warum das Pferd XY in einem Maidenrennen schwächer gelaufen ist, als vorhersehbar. Im Grunde habe ich immer nur noch Schwarz gesehen. Ich habe immer zum Perfektionismus geneigt, vielleicht war auch dies ein Fehler. Ich habe mich in der Klinik mit einigen Patienten unterhalten, die Meisten von ihnen neigten ebenfalls zu dieser Art von Perfektionismus.
GaloppOnline.de: Dass Sie seinerzeit ins Trainerlager wechselten, kam dies zum damaligen Zeitpunkt etwas überraschend?
Torsten Mundry: Das war so bestimmt nicht von mir gewollt. Aber es ergab sich halt so. Peter Rau zog sich plötzlich früher als Trainer zurück, als erwartet. Auch bestimmt nicht ohne Grund. Er hatte vor Jahren ja schon einmal einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten.
GaloppOnline.de: Aber Sie hätten den Trainerjob in Warendorf auch ablehnen können?
Torsten Mundry: Das schon, aber es war doch seit Jahren so geplant, dass ich sein Nachfolger werden sollte. Wir hatten auch ein wirklich tolles Verhältnis. Da steigt man dann nicht aus. Sicherlich hätte ich gerne noch ein oder zwei Jahre gewartet, mich gerne bei Spitzentrainern in Europa weitergebildet, aber es kam halt anders.
GaloppOnline.de: Als sie merkten, dass Sie mit den Belastungen nicht mehr so umgehen konnten, wie erhofft, haben Sie auf Medikamente gegriffen?
Torsten Mundry: Nein, auch war ich nicht dem Alkohol zugeneigt.
GaloppOnline.de: Sie haben in relativ kurzer Zeit viel an Gewicht zugenommen?
Torsten Mundry: Naja, das ist bei vielen Jockeys, die ihre Karriere beendeten, so gegangen. Nach der jahrelangen Abstinenz vom Essen blüht man ja förmlich auf, wenn man nun mal so richtig zulangen kann. Entscheidend war bei mir, dass ich mit meinem aktiven Sport quasi von heute auf morgen aufgehört habe. Ich bin früher regelmäßig 30 Kilometer in der Woche gejoggt, bin viel und zügig Fahrrad gefahren, war viel schwimmen. Auf einmal war die Zeit nicht mehr dafür vorhanden. Ein großer Fehler.
GaloppOnline.de: Und heute ist Sport wieder angesagt?
Torsten Mundry: Oh ja. Ein ganz wichtiger Bestandteil meiner Therapie. Ich treffe mich übrigens schon bald mit Andrasch (Starke Anmerkung der Redaktion). Wir werden hin und wieder durch das bergische Land radeln. Darauf freue ich mich sehr.
GaloppOnline.de: Halten Sie aktuell noch weiteren Draht zu Aktiven des Rennsports?
Torsten Mundry: Im Moment noch ganz wenig.
GaloppOnline.de: Aus der stationären Betreuung sind sie heraus, Sie bleiben aber in medizinischer Betreuung?
Torsten Mundry: Ich war vier Wochen in stationärer Behandlung, bleibe natürlich in psychologischer Betreuung. Ich muss zum Beispiel meine ganze Gefühlswelt aufzeichnen. Dann gibt es Gespräche, alles wird aufgearbeitet. Meine Psychologin coacht mich und erlernt mit mir Methoden und Techniken des Stressmanagements. So werde ich in Zukunft mit Stress und Druck anders umgehen können.
GaloppOnline.de: Wie weit sind Sie?
Torsten Mundry: Wie schon erwähnt, auf einem guten Weg. Ich ergreife auch bereits wieder Selbstinitiative, so reite ich morgens hin und wieder bei Sascha Smrczek aus. Die Pferde und der Stallgeruch sind wichtig für mich, dies bestimmte mein Leben.
GaloppOnline.de: Was Sie nun zunächst einmal aufgegeben haben?
Torsten Mundry: Das war schon ein sehr komisches, bestimmt kein schönes Gefühl, als ich im Dezember in die Klinik ging. Alles was mir im Rennsport lieb war, ließ ich zurück.
GaloppOnline.de: Aber sicher doch nur vorübergehend, oder?
Torsten Mundry: Eins steht fest, in diesem Jahr werde ich nicht als Trainer zurückkommen.
GaloppOnline.de: Suchen Sie im Rennsport nach Alternativen?
Torsten Mundry: Das habe ich vor, ich werde mich sicherlich auch im Ausland umsehen. Ich habe gute Kontakte, zum Beispiel auch nach Hong Kong. Auch wenn es in Zukunft nicht mehr der Trainerberuf sein muss, das Interesse am Rennsport ist ja nicht weg. Das war auch nie weg.
GaloppOnline.de: Was schwebt Ihnen denn vor?
Torsten Mundry: Ich habe vor kurzem ein erstes Gespräch geführt. Ich könnte mir vorstellen, dass ich irgendeine Tätigkeit in einem Racing- oder Jockeyclub wahrnehmen könnte. Ich lasse es einfach auf mich zukommen.
GaloppOnline.de: Sie leben jetzt in Düsseldorf mit Ihrer Lebensgefährtin?
Torsten Mundry: Ja, wir wohnen in einem Hotel, haben aber vergünstigte Konditionen. Wir sind auch auf der Suche nach einer Wohnung. Meine Lebensgefährtin sucht zurzeit eine Stelle als Arzthelferin.
GaloppOnline.de: Die Betreuung durch eine Psychologin, zurzeit ohne Arbeit, das ist doch alles recht kostspielig?
Torsten Mundry: In der Tat. Zum Glück habe ich etwas auf die hohe Kante legen können.
GaloppOnline.de: Was werden Sie in naher Zukunft am Meisten beherzigen?
Torsten Mundry: Als ich die Klinik verließ, gab mir die Therapeutin folgenden Satz mit auf den Weg: „In der Bibel steht geschrieben, liebe Deinen Nächsten wie dich selbst. Sie Herr Mundry, gehen jetzt erst einmal raus und fangen an, sich selbst zu lieben.“