Mit Michelle
Mayer

GaloppOnline.de:
War der Gewinn der Perlenkette in Neuss der bislang größte Erfolg der Karriere?

Michelle Mayer:
Das kann man bejahen. Immerhin ist es der erste Titel, wenn man überhaupt so sagen kann, den ich errungen habe. Der Tag wird ewig in Erinnerung bleiben.

GaloppOnline.de:
Was bedeutet die Perlenkette für Sie? Ein Schmuckstück oder eine reiterliche Auszeichnung?

Michelle Mayer:
Ganz eindeutig eine reiterliche Auszeichnung, die klar vor der Bedeutung eines Schmuckstücks rangiert. Man erhält ja nicht alle Tage einen derartigen Ehrenpreis. Was da alles passen muss, ist schon allerhand. Man braucht gute Pferde, Besitzer und Trainer, die einem das Vertrauen schenken und voll hinter einem stehen.

GaloppOnline.de:
Wo erhält sie ihren Platz?

Michelle Mayer:
Das habe ich mir noch nicht genau überlegt. Vielleicht stecke ich sie in einen Rahmen und hänge sie an die Wand, so dass man später den Kindern einmal sagen kann, schaut her, was eure Mutter in jungen Jahren geschafft hat. Vielleicht trage ich sie aber auch zu Silvester, wenn ich das passende Kleid finde.

GaloppOnline.de:
Wem ist der Erfolg aus ihrer Sicht in erster Linie zu verdanken?

Michelle Mayer:
Da muss ich natürlich den Neusser Stall von Hartmut Steguweit nennen, und in dem Zusammenhang ganz besonders Katja Gernreich, die derzeit den Laden schmeißt, da bekanntlich der Trainer ja zur Reha in Bad Godesberg weilt. Katja ist ohne Zweifel die Seele des Geschäftes, macht zurzeit im Übrigen ihren Trainerschein. Wenn alle, die ihr jetzt Pferde versprechen, das später auch einhalten, glaube ich schon, dass sie eine Zukunft in dem so schweren Beruf besitzt. Ich kenne sie von meiner Lehrzeit und weiß, dass sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen steht. Zu denen, die mich unterstützten, zählten natürlich auch die Besitzer, wie z. B. die von Darigo, die ganz erpicht darauf waren, dass ich an diesem Wettbewerb mit ihrem Pferd teilnehme.

GaloppOnline.de:
Hatten sie immer an den Gewinn geglaubt?

Michelle Mayer:
Sagen wir einmal so. Ich habe versucht nicht wahnsinnig zu werden. Als alle zu rechnen begannen, habe ich ihnen gesagt: Leute, lasst mich in Ruhe. Ich will die Rennen vernünftig reiten, das ist die Hauptsache. Alles andere kommt von selbst. Christian (Czachary), mein Freund, war besonders schlimm. Selbst meine Familie war gekommen, auch ihr habe ich zu verstehen gegeben, dass Unterstützung schön ist, dass ich mich aber vornehmlich auf die Rennen konzentrieren muss.

GaloppOnline.de:
Mit welchen Gefühlen gingen Sie in den Finallauf?

Michelle Mayer:
Ruhiger, als ich gedacht hatte. Am Morgen selbst hatte ich noch ein gewissen flaues Gefühl, doch ist das erfreulich schnell wieder verschwunden. Etwas Nervosität kam dann im letzten und entscheidenden Lauf auf, als ich mit O Vladi Du so weit hinten lag, hundert Meter hinter dem Feld. Aber dann habe ich an Trainer Rohnes Satz gedacht, dass das Pferd immer so läuft und begann so allmählich Boden gutzumachen. Elke (Schütz) war weit weg, vor dem Zug mit Blomquist ja auch schon die Siegerin. Wichtig war, sich zu platzieren, was dann ja auch noch geklappt hat. Glück gehört auch dazu. Und das hatte ich gerade in diesem Fall, denn O Vladi Du war nachgenannt worden. Ansonsten hätte ich wohl keinen Ritt bekommen.

GaloppOnline.de:
Ist der Rennsport das Ein und Alles für Sie?

Michelle Mayer:
Schwer zu beantworten. Eigentlich ja, wegen Zukunfts- und Verdienstmöglichkeiten jedoch nein. Ich reite an sechs Tage in der Woche morgens aus, würde auch gerne später den Trainerschein machen. Dennoch sehe ich mich auf Dauer nicht im Rennsport. Meine Zukunft sehe ich vielmehr im Geschäft meines Vaters, der sich auf die Planung und Durchführung von Motorrad-Reisen auf den berühmten Harley Davidson-Maschinen in den USA sowie in Australien und Neuseeland spezialisiert hat. Das Geschäft läuft ausgesprochen gut, in den USA werden im Jahr 2003 acht, in Australien-Neuseeland zwei Exkursionen durchgeführt. Im Januar fahren Christian und ich für zwei Wochen nach Las Vegas. In dieser Zeit werde ich in einem Drei-Tage-Kursus die notwendigen Führerscheine machen, um dann später vermehrt bei meinem Vater zu arbeiten. Mein Ziel ist es, später von Kaarst aus den westdeutschen Raum zu leiten, damit Christian weiter reiten kann. In Deutschland haben wir schon ein Unternehmen in Haßloch, wo meine Mutter und Großmutter zu Hause sind, zudem habe ich noch eine Schwester in Key West in Florida.

GaloppOnline.de:
Wie hat es mit dem Rennsport angefangen?

Michelle Mayer:
In meiner Heimatstadt Haßloch war der Start. Bei Karl und Ulrich Thomas. Zu denen bin ich gegangen mit der Bitte, mir das Reiten beizubringen. Ich hatte damals nicht die leiseste Ahnung von Pferden und Rennsport, habe alle Arbeiten gemacht. Später folgte die Amateurrennreiter-Prüfung. Wenn ich daran zurück denke, wundere ich mich noch heute, wie leicht man die Lizenz erhielt. Das Virus Rennsport hatte mich befallen. Zunächst wollte ich noch das Abitur machen, doch mein Kopf war nur bei den Pferden, so dass ich das Gymnasium nach der zehnten Klasse abbrach und eine Lehre bei Andreas Löwe in Köln begann. Meine Eltern haben die Entscheidung mitgetragen und gesagt, überlege es dir genau, was du machst und halt uns später nie vor, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Wie ich heute glaube, brauchten weder meine Eltern noch ich dies je zu bereuen. Bei Andreas Löwe hatte ich eine tolle Zeit und nie das Gefühl des bedauernswerten Lehrlings, wie es heute manchmal zu hören ist. Selbstverständlich habe ich alle im Stall anstehenden Arbeiten gemacht, auch die Sättel der Jockeys geputzt. Es war eine Superlehrzeit.

GaloppOnline.de:
Wie lange sind Sie jetzt im Sport?

Michelle Mayer:
Gut neun Jahre sind es mittlerweile. 1993 das Reinschnuppern bei den Thomas’, ein Jahr später die Amateur-Prüfung und wiederum ein Jahr später die Lehre, so in Kürze die Daten.

GaloppOnline.de:
Wie sieht der Wochenablauf aus?

Michelle Mayer:
Derzeit reite ich drei Mal bei Hartmut Steguweit in Neuss aus. Vorher war ich an sechs Tagen im Sattel, an vier Tagen bei Hans Blume in Röttgen und an zwei bei Steguweit. Die Zeit in Röttgen, wo ich insgesamt zwei Mal ritt, war super schön. Ich arbeitete zudem immer mit erstklassigen männlichen Jockeys wie Starke, Hammer-Hansen oder Boschert, von denen man immer etwas abschauen konnte.

GaloppOnline.de:
Ist ein festes Engagement in Sicht?

Michelle Mayer:
Nein, das nicht. Sicherlich wäre das eine schöne Sache, dann müsste man aber die Zusage haben, die Pferde auch in den Rennen zu reiten. Aber aus meiner Erfahrung heraus sucht man doch in Wirklichkeit kein Mädchen zum Rennreiten.

GaloppOnline.de:
Gibt es Vorbilder?

Michelle Mayer:
Nicht wirklich. Ich schaue mir gerne französische Rennen an, achte darauf, wie die Jockeys ihre Pferde behandeln und denke mir mein Teil dazu. Hierzulande sind es Andrasch, Subi, Terry oder Lennart, auf die man achtet und von denen man lernt. Es gab Tage, an denen ich an meinen Fähigkeiten gezweifelt und gesagt habe, was habe ich denn da zusammen geritten. Ich will auch andere Meinungen hören. Paul Johnson und Andreas Helfenbein, um nur zwei zu nennen, haben mir in dieser Hinsicht viel geholfen. Sie haben gelobt, aber auch getadelt, denn beides gehört zusammen. Und wenn man zuhört, ist auch die Akzeptanz bei den Jungs da.

GaloppOnline.de:
Gab es Momente, wo sie die Brocken hinschmeißen wollten?

Michelle Mayer:
Die gab es mit Sicherheit, die hatte wohl auch jeder. Man muss sich nur wieder aufrappeln, sich von seinem Partner aufbauen lassen, dann sieht man auch wieder eine Zukunft. Ein Auf und Ab findet sich in jedem Beruf.

GaloppOnline.de:
Und eine besonders schöne Zeit?

Michelle Mayer:
Auf jeden Fall die Lehrzeit bei Andreas Löwe in Köln. Dort war ich z. B. für Protektor, sein Aushängeschild, verantwortlich, mit dem Hengst auch zwei Mal in Hong Kong, habe alle großen Erfolge miterlebt. Mit einem Bild von Protektor hat Andreas Löwe mir auch den Abschied nach Beendigung der Lehre verschönt. Sehr gute Erinnerungen habe ich auch an die folgende Zeit bei Hans Blume in Heumar, eigentlich war alles schön, auch das eine Jahr bei Wolfgang Figge in München.

GaloppOnline.de:
Ist das Selbstbewusstsein durch den Neusser Sieg gestiegen?

Michelle Mayer:
Ach, Selbstbewusstsein hatte ich schon immer. Ich weiß, was ich kann, weiß aber auch, woran ich noch feilen muss. Trotzdem war es am letzten Samstag schön, die Komplimente, wie gut ich doch meine Sache gemacht habe, zu hören, zumal etliche auch meine Endkampftechnik lobten.

GaloppOnline.de:
Dann sind Sie im nächsten Jahr wohl wieder dabei?

Michelle Mayer:
Das auf jeden Fall. Dafür hat die ganze Geschichte einfach viel zu viel Spaß gemacht.

GaloppOnline.de:
Ist Weihnachten also schon zehn Tage früher gewesen?

Michelle Mayer:
Wenn man so will, ja. Es war schon sehr schön. Die größte Freude hat mir der Sieg am ersten Wertungstag mit All Pride gemacht. Ich habe zwar die Perlenkette, aber am zweiten Tag kein Rennen mehr gewonnen, war vielmehr zwei Mal Dritte. Ein Sieg ist halt ein Sieg, etwas Besonderes. Deswegen war der Erfolg mit All Pride für mich persönlich das Größte.

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