Mit M. Ostermann

GaloppOnline.de: Herr Ostermann, Sie als Präsident der Besitzervereinigung für Vollblutzucht und Rennen werden es sicherlich auch mit großer Freude verfolgt haben, welch fantastische Resultate der deutschen Vollblutzucht in den letzten Wochen gelangen?

Manfred Ostermann: Natürlich, mit allergrößter Freude. Die Erfolge von Pferden aus der deutschen Vollblutzucht zogen sich ja über den gesamten Globus. Aus Röttgens D-Familie und aus einer Acatenango-Mutter stammt der Gewinner des Kentucky Derbys, Animal Kingdom. Er soll am Wochenende die Preakness Stakes und somit nach dem Kentucky Derby das zweite Rennen des US-Triple-Crown bestreiten. Stellen Sie sich einmal vor, ihm gelingt der Hattrick, gewinnt auch noch die Preakness und anschließend die Belmont Stakes. Was für eine Geschichte für die deutsche Vollblutzucht. Aber auch so als Kentucky-Sieger aus einer deutschen Linie ist dies allerbeste und weltweite Reklame für die deutsche Vollblutzucht.

GaloppOnline.de: Estejo gewann am Sonntag sein zweites Gruppe-I-Rennen, nach 2008, in Italien. Auch eine große deutsche Turfgeschichte?

Manfred Ostermann: Auf jeden Fall. Es ist wirklich erstaunlich, wie kontinuierlich dieser Estejo auch im Alterauf hohem Niveau seine Bestform abruft. Er steht wohl bei 96 oder 97 Kilo im GAG und hat diese Einschätzung am letzten Sonntag in Rom voll abgerufen. Einfach toll, meine Gratulation an das Team.

GaloppOnline.de: Immerhin kann man mit dieser Marke ein Gruppe-I-Rennen in Italien gewinnen?

Manfred Ostermann: Warum nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Estejo in seinem Alter noch einmal um drei oder vier Kilo gesteigert hat. In Italien muss das Pferd nicht unbedingt 100 Kilo im GAG haben, um ein Gruppe-I-Rennen zu gewinnen.

GaloppOnline.de: Imponierend wie Golden Lilac am letzten Sonntag die Poule d’ Essai des Pouliches in Longchamp gewann. Erneut trägt wieder ein europäisches Spitzenpferd Ammerländer Farben. Wie haben Sie das Rennen in Longchamp verfolgt?

Manfred Ostermann: Mit allergrößter Begeisterung, es war eine wahre Gala von Golden Lilac. Meinen ganz herzlichen Glückwunsch um die Mannschaft von Dietrich von Boetticher. Olivier Peslier zeigte sich ja auch restlos begeistert. Und er kann dies sicherlich so richtig gut beurteilen. Wenn man dann noch den Kommentar von Coolmore-Boss John Magnier las, dass man am besten Golden Lilac in Zukunft aus dem Weg gehen solle, dann sagt dies wohl alles aus.

GaloppOnline.de: Die Deutsche Vollblutzucht ist unverändert Spitze?

Manfred Ostermann: Das darf man genauso ausdrücken. Es sind wieder überragende Ergebnisse, die wir in den letzten Wochen verzeichnen konnten und ein bester Beweis dafür, wie gut und weitsichtig deutsche Züchter in den letzten Jahrzehnten gearbeitet und sich somit deutsche Mutterlinien entsprechend erfolgreich entwickelt haben. Viele von ihnen sind weltweit führend.

GaloppOnline.de: Und das bei – im internationalen Vergleich – doch recht bescheidenen Größenordnung?

Manfred Ostermann: Das kann man wohl sagen. Wir haben rund 2000 Mutterstuten, Frankreich, England und Irland hat teils ein Zehnfaches mehr zu bieten. Noch einmal auch an dieser Stelle ein großes Kompliment an unsere Züchter, die kontinuierlich die Basis für die großen Erfolge auch im Ausland schaffen.

GaloppOnline.de: Kommen wir zu Ihrem Gestüt Ittlingen? Am letzten Sonntag liefen ihre Stuten Amare und Royal Mary im SWK-Krefelder Stutenpreis. Sie waren nicht nach Krefeld gereist?

Manfred Ostermann: Nein, im Moment versuche ich – soweit mir das gelingt – einen Bandscheibenschaden auszukurieren. Die Stuten sind als Dritte und Vierte nicht schlecht gelaufen. Royal Mary war Jahresdebutantin, hatte nicht das beste Rennen, aber schob sich ganz zuletzt noch an Amare vorbei.

GaloppOnline.de: Im letzten Moment wurde ihr dreijähriger Hengst Araldo, der in Köln hinter Tahini ein starkes Debut gegeben hatte, in Krefeld zum Nichtstarter erklärt. Was war los?

Manfred Ostermann: Bei den Bodenangaben hatte es unterschiedliche Angaben gegeben. Son haben wir Araldo wegen der Bodenverhältnisse abgemeldet. Er soll nun am kommenden Sonntag in Köln laufen und bei einem guten Verlauf könnte es für ihn dann weiter zum Bremer Derby-Trial gehen.

GaloppOnline.de: Der Hengst ist also noch ein Kandidat für das Deutsche Derby?

Manfred Ostermann: Das sehen wir so. Wir werden seinen Auftritt am kommenden Sonntag in Köln mit Spannung verfolgen.
GaloppOnline.de: Bleiben wir noch bei Ihren Dreijährigen. Saltas ist nach offizieller GA-Einschätzung der beste dreijährige Ittlinger. Wie sieht seine weitere Route aus?

Manfred Ostermann: Er hat in Frankfurt bei seinem zweiten Platz zu Earl of Tinsdal den Sprung in die Gruppe-Klasse auf Anhieb geschafft. Das Bavarian Classic am kommenden Sonntag in München stand länger zu Debatte. Doch dann haben wir entschieden, dass Saltas direkt in das Kölner Oppenheim Union-Rennen gehen wird.

GaloppOnline.de: Mit Aviator, der vor wenigen Wochen in Berlin-Hoppegarten sehr verheißungsvoll debutierte und auf Anhieb überlegen gewann, haben Sie doch sicherlich auch noch das Derby im Hinterkopf?

Manfred Ostermann: Aviator soll das Derby-Trial in Baden-Baden bestreiten, dann sehen wir weiter. Es hat mir sehr gefallen, wie sich der Hengst in Hoppegarten präsentierte.

GaloppOnline.de: Stromberg wusste bei seinem Erfolg ebenfalls enorm zu beeindrucken. Ein weiterer Ittlinger Kandidat für das Deutsche Derby?

Manfred Ostermann: Da denken wir eher nicht. Sein Aktionsradius dürfte zwischen 1600 und 2000 Meter liegen. Mit ihm werden wir dem Beispiel Waldpark (Ravensberger Dreijähriger, der am Sonntag in Krefeld einen Ausgleich III mit einer 77er Kilo-Marke überlegen gewann – Anmerk. d. Redaktion) folgen. Er soll in einem Handicap weitermachen, dann könnte Mitte Juni in Mailand ein Listenrennen für Stromberg auf der Agenda stehen.

GaloppOnline.de: Kommen wir zu Scalo. Wie hat er das Rennen in Köln überstanden. Ein Spaziergang war der Erfolg im Gerling-Preis schließlich nicht, auch wenn er sehr zu überzeugen wusste?

Manfred Ostermann: Bedingt durch den Rennverlauf und die prekäre Lage zu Beginn der Geraden musste er erst auf freie Bahn gebracht werden. Da war ja fast schon der Zug abgefahren. Enorm, mit welcher Beschleunigung Scalo noch zum Erfolg kam. Der Hengst hat das Rennen sehr gut verkraftet.

GaloppOnline.de: Sein Siegreiter Frankie Dettori sprach hinterher von einem kleinen Pferd, das ihm sehr gefallen habe. Scalo, kleines Pferd?

Manfred Ostermann: Das hat mich schon ein bisschen aufgeschreckt. Da hat es bei mir geklingelt. Ich habe Herrn Wöhler gleich am nächsten Tag die Größe von Scalo nachmessen lassen. 1,64 Meter ist sein Stockmaß, er ist über Winter sogar noch einmal zwei Zentimeter gewachsen und hat somit eine normale Stockmaßgröße.

GaloppOnline.de: Glauben Sie, dass Scalo über Winter insgesamt weiter zugelegt hat?

Manfred Ostermann: Wenn Sie mit zulegen vor allem auch die physische Stärke meinen, dann auf jeden Fall. Der Hengst hat sich sehr gut weiter entwickelt. Ich denke, davon konnte sich jeder in Köln bei seinem Auftritt im Gerling-Preis überzeugen.

GaloppOnline.de: Gibt es mittlerweile konkrete Pläne, wo Scalo seinen nächsten Auftritt haben wird?

Manfred Ostermann: Eine eindeutige Tendenz gibt es noch nicht. In zeitlicher Reihenfolge stehen der Coronation Cup Anfang Juni in Epsom, der Grand Premio di Milano Mitte Juni in Mailand und der Grand Prix de Saint-Cloud Ende Juni eben in Saint-Cloud auf dem Plan. Ich habe noch am letzten Samstag mit Herrn Wöhler zusammengesessen und wir haben länger über dieses Thema diskutiert. Es hängt von einigen speziellen Dingen ab?

GaloppOnline.de: Was genau meinen Sie damit?

Manfred Ostermann: Wir wollten nun erst einmal den Streichungstermin am letzten Dienstag für den Coronation Cup abwarten. Gegen solche Pferde wie So You Think oder Workforce braucht man ja nicht unbedingt anzutreten. Sie sind noch wie auch Scalo im Feld stehen geblieben, doch ob sie wirklich laufen, ist wohl er fraglich. Mit Epsom-Derby-Sieger Workforce plant man wohl eher einen Start in den Brigadier Gerard Staks auf Gruppe-III-Ebene.

GaloppOnline.de: Sollten diese beiden Pferde nicht im Coronation Cup laufen, dann könnten aber u. a. solche Kaliber wie Midday oder St. Nicholas Abbey die Gegner sein?

Manfred Ostermann: Es handelt sich beim Coronation Cup ja auch schließlich um eins der besten Gruppe-I-Rennen über 2400 Meter in Europa. Sicherlich, beide Pferde stehen zwei oder drei Kilo höher in der offziellen Einschätzung als Scalo. Aber an einem guten Tag und mit zunehmendem Alter – sein Vater Lando konnte sich kontinuierlich stets ein Stück steigern – kann Scalo vielleicht auch noch einmal ein oder zwei Kilo zulegen. Dann sind wir rechnerisch an diese Pferde dran, dann kann Scalo in der Endabrechnung dabei sein.

GaloppOnline.de: Ein oder zwei Kilo nach oben, das hört sich nicht viel?

Manfred Ostermann: Ist es aber. Scalo bewegt sich mit seinen 100 Kilo im GAG auf der Spitze des Eisbergs. Da ist die Luft ganz dünn. Wie ich schon erwähnte, für einen Gruppe-I-Sieg in Italien braucht man nicht unbedingt eine rechnerische Leistung von 100 Kilo. Sondern vielleicht 97, 98 oder 99. Da oben spielt sich alles auf engstem Raum ab. Rein rechnerisch wie gesagt.
GaloppOnline.de: Also könnte es doch eine Tendenz Richtung Coronation Cup geben?

Manfred Ostermann: Wenn die Wettbewerbskonstellation so eintritt, dass wir damit Leben können, wäre es gut möglich.

GaloppOnline.de: Gehen wir einmal davon aus, Scalo bekäme grünes Licht für einen Auftritt im Coronation Cup in Epsom. Das Rennen ist in England, werden Sie versuchen, Frankie Dettori zu bekommen?

Manfred Ostermann: Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Lanfranco Dettori für seinen Einsatz in Köln auf Scalo bedanken. Er ist ja bekanntlich auf dem allerletzten Drücker für Olivier Peslier, der einen Tag zuvor in Paris gestürzt war, eingesprungen. Dies war wirklich sportman’s like. Frankie Dettori trug erstmals Ittlinger Farben und ist somit für uns noch ungeschlagen.

GaloppOnline.de: Also wird er auch Scalo bei einem möglichen Einsatz im Coronation Cup reiten?

Manfred Ostermann: Das muss man abwarten. Ich möchte aber auf Folgendes hinweisen: Mit Olivier Peslier, der Scalo im Preis von Europa geritten hat, sind wir den gesamten Winter über in Verbindung geblieben. Vor allem auch mit seinem Manager Herve Nagar. Er hat sich stets über die Verfassung von Scalo interessiert, nach seinen Trainingsleistungen etc. Wir hatten einen ständigen Austausch, auch hat er uns zum Beispiel geraten, nicht in den Prix Ganay zu gehen. Es ist eine wirklich intensive Zusammenarbeit, die wir fortführen möchten.

GaloppOnline.de: Also Scalo dann mit Olivier Peslier in Epsom?

Manfred Ostermann: Er bekommt von uns die erste Anfrage.

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