GaloppOnline.de: Das war ja ein fast perfekter Abschied, nur eine Länge hat zum Sieg gefehlt. Sagt man nun schade oder Kompliment?
Adrie de Vries: Beides trifft zu. Sicher ist es schade, wenn man nach längerer Führung noch abgefangen wird. Andererseits sollte man nicht vergessen, dass Alianthus mit 60 kg Höchstgewicht trug. Er ist super gelaufen und hat riesig gekämpft. Erfreulich war, dass er vorne ruhig gehen konnte. Der Hengst hat eine große Leistung geboten, mit der alle sehr zufrieden waren.
GaloppOnline.de: Dann heißt es auch Abschied nehmen von der Familie, denn am Montagmorgen geht es ja in Richtung Katar.
Adrie de Vries: Das stimmt, da bleiben natürlich nur noch wenige Stunden. Von Düsseldorf geht über Frankfurt nach Doha, der Hauptstadt von Katar, wo ich dann gegen 19 Uhr eintreffen werde.
GaloppOnline.de: Und wo eine neue Aufgabe auf sie wartet, denn nach Julian Smart, für den Sie in der vergangenen Saison tätig waren, werden Sie diesmal bei Ibrahim Al-Malki arbeiten. Was gibt es zu ihm zusagen?
Adrie de Vries: Ich kenne ihn natürlich von früheren Aufenthalten sehr gut und habe auch für ihn bereits Rennen gewonnen. Im Vorjahr war er der erfolgreichste Trainer mit Vollblütern.
GaloppOnline.de: Wie viele Pferde trainiert er?
Adrie de Vries: Sein Aufgebot umfasst zwischen vierzig und fünfzig Pferde, also eine gute Basis für ein erfolgreiches Arbeiten.
GaloppOnline.de: … zu denen inzwischen noch weitere Pferde hinzu gekommen sind.
Adrie de Vries: Richtig, denn er hat mit Hearts Of Fire, der bekanntlich im Vorjahr als Zweijähriger das Zukunftsrennen in Iffezheim gewann, ein absolutes Klassepferd erhalten.
GaloppOnline.de: Das Pferd machte Schlagzeilen anlässlich der Auktion in Newmarket in der vergangenen Woche, die Sie ja auch besucht haben. Waren Sie am Kauf irgendwie beteiligt?
Adrie de Vries: Nein, das nicht, aber ich wusste aus Gesprächen mit dem Trainer vom Interesse an dem Hengst, der noch vor meiner Ankunft gekauft wurde. Al-Malki hat aber auch in anderen Fällen nach meiner Meinung gefragt.
GaloppOnline.de: Ist das eigentlich die Auktion, auf der Sie in der Vergangenheit so manchen Volltreffer gelandet haben. Wen haben Sie dort sonst noch getroffen?
Adrie de Vries: Ja, dort bin ich schon seit Jahren tätig, war diesmal wieder mit meinem Freund und Besitzer Lucien van der Meulen unterwegs, der vier Käufe tätigte. Getroffen habe ich während der Tage dort die Trainer Christian von der Recke, Mario Hofer und Gerald Geisler.
GaloppOnline.de: Die Entscheidung für Katar ist diesmal recht spät gefallen, warum?
Adrie de Vries: Kontakte und Jobangebote hatte es eigentlich immer gegeben. Zu Trainer Smart wollte ich nicht mehr zurück, woraufhin mir der Jockey Club einen anderen vermittelt hatte. Nur schaffte dieser es nicht, eine ausreichende Anzahl an Pferden zu beschaffen, so dass daraus nichts wurde. Da kam das Angebot von Ibrahim al-Malki genau passend.
GaloppOnline.de: Dessen Neuerwerbung Hearts Of Fire gilt als ausgemachter Kandidat für das Dubai-Racingfestival, womit auch Sie dort zum Einsatz kommen dürften?
Adrie de Vries: Ja, das stimmt. Hearts Of Fire zählt jetzt auch zu meinen Pferden, so dass meine Chancen auf Starts in Dubai natürlich auch gestiegen sind.
GaloppOnline.de: Auf welchen Zeitraum wird sich Ihr Aufenthalt in Katar erstrecken?
Adrie de Vries: Nicht bis zum Ende der Saison, die bis zum 19. Mai 2011 geht und einundvierzig Renntage umfasst. Ich werde bis Ende März in Katar reiten, dann nach Deutschland zurückkehren und dann im April wieder meinen Aufgaben in Bergheim nachkommen.
GaloppOnline.de:… was heißt, dass Ihre berufliche Zukunft für das kommende Jahr gesichert ist?
Adrie de Vries: Ja, die entsprechenden Gespräche sind schon recht früh, nämlich während der Großen Woche in Iffezheim, geführt und mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt wird.
GaloppOnline.de: Anders als in den vergangenen zwei Jahren werden Sie die kommenden Monate wieder allein ohne die Familie in Katar verbringen, was ist der Grund?
Adrie de Vries: Es sind schulische Gründe, die uns zu dieser Entscheidung gezwungen haben. Die beiden Jungen haben sich in der alten Heimat wieder so gut eingelebt, dass meine Frau und ich sie nicht schon wieder aus der Umgebung herausreißen wollten. Es ist schade, doch so ist nun einmal die Situation, aber vorher mit ihnen war es schöner. In Zukunft kann sich das wieder ändern, aber diesmal wollten wir einfach kein Hin und Her mehr.
GaloppOnline.de: Die Katar-Saison ist schon im Gange, wie viele Renntage haben Sie verpasst?
Adrie de Vries: Sie ist gerade erst angelaufen, verpasst habe ich lediglich zwei Veranstaltungen. Am 4. November werde ich wohl meine ersten Einsätze haben.
GaloppOnline.de: Dann gibt es das Wiedersehen mit Marvin Suerland, der schon seit einigen Wochen dort wieder reitet und in der laufenden Saison ausgezeichnete Ergebnisse liefert.
Adrie de Vries: Ja, Marvin hat in der letzten Saison total überzeugt und die neue mit zwei Siegen sehr gut begonnen. Wie gut es um eine Stimmung bestellt ist, zeigt die SMS, die er mir vor drei Tagen mit den Worten „bleib` noch etwas da, es geht mir gut“, schrieb. Er ist beim Bruder von Ibrahim Al-Malki beschäftigt und reitet ausschließlich für einen seiner Besitzer.
GaloppOnline.de: Im Vorjahr hatten Sie sowohl die meisten Siege als auch die größte Gewinnsumme auf dem Konto, ist dies erneut möglich?
Adrie de Vries: Möglich schon, aber kaum wahrscheinlich. Schließlich verpasse ich ja etliche Renntage. Es müsste schon super laufen, um wieder Champion, was ich schon zweimal war, zu werden.
GaloppOnline.de: Stichwort Championat. Die Meetings in Iffezheim haben Sie 2010 als erfolgreichster Reiter beendet. Aber der Titel bei den Jockeys kann aufgrund des Auslandsaufenthaltes nie ein Thema sein. Ist die Gewinnsumme von 955.805 Euro, mit der Sie vorne stehen, auch eine Art Championat für Sie?
Adrie de Vries:Ja, klar. Die Gewinnsumme ist doch das Wichtigste. Sportlich wäre das Championat schon eine tolle Sache, ist aber unter den gegebenen Voraussetzungen einfach nicht zu erreichen.
GaloppOnline.de: Haben Sie in Ihrer Karriere eigentlich schon einmal mehr verdient?
Adrie de Vries: Nein, das ist meine mit Abstand beste Summe. Selbst in dem Jahr, als ich mit Filip Minarik um das Championat kämpfte, habe ich lediglich eine Gewinnsumme erreicht, die um gut einhunderttausend Euro unter der diesjährigen lag.
GaloppOnline.de: Abschied nehmen heißt auch Bilanz ziehen. Wie fällt Ihre für die Saison 2010 aus?
Adrie de Vries: Eigentlich ganz gut. Die Gewinnsumme ist die beste der Karriere und Platz vier in der Jockey-Statistik nach nur sechs Monaten kann sich ja auch sehen lassen.
GaloppOnline.de: Was war positiv und was negativ?
Positiv: Herausragend natürlich der Sieg mit Campanologist in Köln. Denn welcher Jockey träumt nicht einmal davon, für die berühmten Godolphin-Farben zu reiten und zu gewinnen. Negativ: Natürlich war es sehr schade, dass aus gesundheitlichen Gründen kein Pferd für Schlenderhan an den Start gebracht werden konnte.
GaloppOnline.de: Welches Rennen würden Sie gerne noch einmal reiten, wenn es ginge?
Adrie de Vries: Da gibt es einige, aber kein bestimmtes, doch ein Rennen kann man eben nur einmal reiten. Jeder verknallt einmal ein Rennen, doch dann muss es eben wieder weitergehen.
GaloppOnline.de: Weitergehen wird es für Sie jetzt in Katar mit sicherlich heißen Tagen, oder?
Adrie de Vries: Stimmt, derzeit herrschen Temperaturen um die 35 Grad, heiß wird es aber auch auf der Rennbahn zugehen. Davon bin ich überzeugt.