GaloppOnline.de: Die German Racing Next Generation ist eine Erfolgsgeschichte. Sie haben in den vergangenen drei Jahren die Sonnenseiten des Sports kennengelernt, doch im Oktober erschütterte die schreckliche Nachricht vom Tode Sandra Eichenhofers, die bei euch Mitglied war, ganz Turf-Deutschland. Hat sich dadurch etwas innerhalb des Vereins geändert?
Jochen Drepper: Es hat sich etwas geändert, klar. Sandra war Mitglied der ersten Stunde, ihre Geschichte war eng mit der unsrigen verbunden. Sie hat ihre Lehre begonnen genau in dem Jahr, in dem wir uns gegründet haben. Sie hat ihr erstes Rennen mit Angreifer gewonnen und später auch mit Humor gesiegt. Wir haben so viel mit ihr erlebt. Humor war von Beginn an ihr Liebling, sie hat ihn immer geführt und später ja auch geritten. Sie war unsere Verbindung in den Rennstall, eine tolle Persönlichkeit, die sehr viel Esprit versprüht hat.
GaloppOnline.de: Rennsport heißt Rennen gewinnen zu wollen. Rücken solche Wünsche im Angesicht einer solchen Tragödie in den Hintergrund? Stichwort Demut.
Jochen Drepper: Für mich persönlich ist es ein wahnsinniges Privileg, das wir durch die Unterstützung von Röttgen und Görlsdorf erhalten. Ich war vor meiner Zeit bei der Next Generation nie auf der Rennbahn gewesen und glücklich ein Pferd mitzubesitzen. Andere hatten einen anderen Ehrgeiz, aber die Demut ist in diesem Jahr sehr groß, nicht zuletzt durch den Verlust Sandras, aber auch weil wir glauben, dass man solch ein Jahr mit vier Siegen und drei Platzierungen für unseren jungen Rennstall just4turf so schnell nicht wird wiederholen können.
GaloppOnline.de: Aus sportlicher Sicht war es euer erfolgreichstes Jahr?
Jochen Drepper: Ja. Zwischen dem ersten Sieg von Humor im Herbst 2012 und dem von Angreifer in diesem April lagen über zwei Jahre. Da wurden manche schon unruhig. Aber wie gesagt, wir sind in einer absolut privilegierten Situation. Am Samstag waren wir alle gemeinsam auf Röttgen und haben dort einen Teil unserer Weihnachtsfeier gefeiert, um Markus Klug, vor allem aber Dr. Günter Paul, unseren Dank auszusprechen. Dr. Paul hat uns von Beginn an nach Kräften gefördert.
GaloppOnline.de: Sie sprachen die Förderung an. Dennoch hat sich die Idee der Next Generation auch sehr schnell verselbstständigt.
Jochen Drepper: Die Idee ist damals während eines Abends bei der Großen Woche entstanden. 2011 auf der Sitzung der Besitzervereinigung wurden Niko (Lafrentz, Anm.d.Red.) und Heike (Bischoff-Lafrentz, Anm.d.Red.) von Herrn Woeste als die jungen Leute des Rennsports begrüßt und Heike sagte damals, wenn wir als jung bezeichnet werden, dann müssen wir was unternehmen.
GaloppOnline.de: Der Ideenwettbewerb war der nächste Schritt?
Jochen Drepper: Ja. Die Frage war, was können wir tun, um wieder mehr junge Leute in den Rennsport zu bekommen. Sophie (Lafrentz, Anm.d.Red.) kannte ähnliche Projekte aus Irland und Frankreich. Wir begannen mit dem Innovationswettbewerb an Hochschulen, die Next Generation war zunächst nur als Träger des Wettbewerbs gedacht. Im Rahmen dieses Wettbewerbs kamen dann auch schon Röttgen und Görlsdorf auf uns zu. Sie waren davon überzeugt, dass es mit einem eigenen Rennstall am besten gelingen kann, junge Leute an den Rennsport heranzuführen“
GaloppOnline.de: Aus dem Träger Next Generation wurde dann schnell die German Racing Next Generation, die Nachwuchsorganisation des deutschen Rennsports.
Jochen Drepper: Wir haben mit sieben Mann angefangen. Das ist das rechtliche Minimum, um einen Verein eintragen zu lassen. Heute haben wir 185 Mitglieder. Im Schnitt bekommen wir also ein Mitglied pro Woche hinzu. Diese Entwicklung hätten wir uns nie träumen lassen. Heute ist eine tolle, engagierte Community entstanden.
GaloppOnline.de: Und einige Mitglieder beschränken sich längst nicht mehr auf die reine Clubtätigkeit?
Jochen Drepper: Richtig. Das ist auch immer eines unserer Ziele gewesen und der wesentliche Grundsatz unseres Vereins. Wir wollen auch, dass sich aus unserem Kreis neue Züchter, Besitzer und auch Funktionäre herausbilden. Dabei verfolgen wir alle Ziele komplett gemeinnützig.
GaloppOnline.de: Gibt es da Beispiele?
Jochen Drepper: Ein Christoph Holschbach etwa. Er hat in Köln gemeinsam mit Henk Grewe, der auch bei uns Mitglied ist, einen eigenen Rennstall aufgebaut und engagiert sich nun verstärkt auch im Düsseldorfer Reiter- und Rennverein. Oder Jonas Schorfheide, der mit dem Projekt „dein-Rennpferd.de“ Deutschlands ersten Crowdfunding-Rennstall gegründet hat und mit viel Herzblut und erheblichem finanziellen Aufwand vorantreibt. Wir vermitteln aber auch junge Leute als Praktikanten, Assistenten und Helfer wie Christoph Karl und Janis Schmidt, die sich Köln um die Social Media kümmern. Köln war tatsächlich einer der letzten Rennvereine, die noch keine Facebook-Präsenz hatten. Wir haben auch Janie Boog vermittelt, die den „Tag des Vollbluts“ organisiert hat.
GaloppOnline.de: Verantwortung im Rennsport ist ein weiteres großes Thema.
Jochen Drepper: Auf jeden Fall. Wir haben beim Saisonauftakt in Frankfurt die Bürgerinitiative mit einem Stand auf der Rennbahn, der Verteilung von Flyern und einem selbst produzierten Video-Clip unterstützt. Außerdem haben wir bei den Riemer Pferde-Tagen in München gemeinsam mit der Bayerischen Besitzervereinigung und den Amateuren über den Rennsport informiert. Nicht zuletzt haben wir mit unserem Charity-Lauf „Run4Racing“ beim diesjährigen Köln-Marathon 4.200 Euro für gemeinnützige Organisationen im Rennsport erlaufen.“
GaloppOnline.de: Sie sprachen eben Köln an. Hier scheint man den Schritt zur Verjüngung mitzutragen. Mit Philip Hein hat man einen 28-Jährigen als Geschäftsführer installiert.
Jochen Drepper: Köln ist wirklich ein gutes Beispiel. Philip setzt auf die neuen Medien und hat das Thema Social Media ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Aber auch die Vermarktung des Rahmenprogramms liegt ihm am Herzen. Er hat ja schon beim CHIO gezeigt, wie es gehen kann. Aber nicht nur Köln setzt auf junge Leute. Auch in Hoppegarten, das übrigens die meisten Facebook-Likes hat, oder Leipzig und Frankfurt setzt man auf ein junges Team.
GaloppOnline.de: Als Nachwuchsorganisation habt ihr längst eure Fühler ins Ausland ausgestreckt. Gibt es in Deutschland für euch nicht mehr genug zu tun?
Jochen Drepper: Das Thema der Nachwuchsförderung kann man nicht nur national betrachten. Wir haben bei vielen unserer Reisen gemerkt, dass es in anderen Ländern wie Frankreich, England oder Irland ähnliche Probleme gibt. So haben wir uns mittlerweile hier ein Netzwerk aufgebaut.
Das heißt, die Next Generation ist längst keine ausschließlich deutsche Organisation mehr?
In England, Frankreich und Irland gibt es ebenfalls Nachwuchsorganisationen. In Frankreich ist es die Aux Courses Les Jeunes, in Irland die ITBA Next Generation und in England der TBA Next Generation Club.
GaloppOnline.de: Wie sieht solch eine internationale Zusammenarbeit aus?
Jochen Drepper: In diesem Jahr haben wir in Hoppegarten das dritte International Young Turf Weekend veranstaltet. Großer Dank gilt Herrn Schoeningh und dem Gestüt Görlsdorf, die uns nach allen Kräften unterstützt haben. Wir hatten an diesem Wochenende rund hundert Gäste, wovon fünfzig aus dem Ausland gekommen sind, aus Kalifornien, Irland, Türkei, Spanien, England und Frankreich, die das erste Mal überhaupt Kontakt mit dem deutschen Rennsport und der Zucht hatten. Das war beste Werbung.
GaloppOnline.de: Ihr seid auch oft im Ausland unterwegs?
Jochen Drepper: Ja. Wir waren jetzt schon zum zweiten Mal in St. Moritz beim White Turf-Meeting und auch zum zweiten Mal beim Irish Champion Weekend, zudem weilten wir auch beim Prix de l‘Arc. Das sind immer wunderbare Möglichkeiten von internationalen Begegnungen.
GaloppOnline.de: Doch man wird sich wohl kaum nur auf die Rennen beschränken, sondern auch neue gemeinsame Pläne für die Zukunft schmieden?
Jochen Drepper: Der logische nächste Schritt ist die Gründung eines europäischen Dachverbandes, denn am Ende des Tages sind die Herausforderungen in den Ländern ähnlich.
GaloppOnline.de: Wie sehen die gemeinsamen Themen aus?
Jochen Drepper: Gerade die Vermarktung des Sports ist ein Thema, aber auch die Veranstaltungen selbst. Die Menschen haben heute mehr Freizeit, aber natürlich auch mehr Möglichkeiten. Daher müssen wir überlegen, wie wir mehr Menschen auf die Bahnen locken und den Rennsport zu einem Event machen. Entertainment ist enorm wichtig, auch wenn es einigen nicht gefällt.
GaloppOnline.de: Der Trend hin zum Event ist auch immer wieder Grund zur Kritik an der Next Generation.
Jochen Drepper: Zunächst muss man sagen, dass uns die Mehrheit unterstützt. In diesem Punkt könnte ich mir kaum mehr vorstellen. Uns werden keine Knüppel in die Beine gelegt oder irgendwelche Barrieren aufgebaut. Es gibt aber auch eine kleine Fraktion, die uns die Privilegien neidet und uns als Elite sieht. Einige Traditionalisten wollen den Sport auf die Rennen und das Wetten reduzieren, alles andere ist zu viel und könnte den Sport verwässern.
GaloppOnline.de: Wie begegnen Sie solcher Kritik?
Jochen Drepper: Wir sind gewiss keine Elite bestehend aus Akademikern. Zu uns kann jeder kommen. Wir haben Mitglieder aus allen gesellschaftlichen Schichten, jedem steht die Tür offen. Man muss aber sagen, dass in vielen Gremien eine Überalterung herrscht und in moderner Vermarktung durchaus mehr getan werden kann. Ich sage dann immer, nehmt uns nicht als Bedrohung wahr, sondern als Bereicherung. Nutzt unsere Ideen, denn am Ende ist es egal, wer sie umsetzt – solange sie überhaupt umgesetzt werden! Ich fände es allerdings toll, wenn wir gemeinsam mit allen Beteiligten die großen Zukunftsaufgaben unseres Sports angehen könnten.“