Am Samstag hält die gesamte Turfinsel für zweieinhalb Minuten den Atem an. Englische und irische Galoppfans blicken nach Ascot. Die King George VI And Queen Elizabeth Diamond Stakes stehen auf dem Programm. Um 16.50 Uhr fällt der Startschuss zu dem legendären 750.000 Pfund-Ereignis.
England gegen Irland – Kris Kin fordert Alamshar. Der englische Derbysieger gegen jenen von der grünen Insel. Einer, der noch lange nicht alles gezeigt haben muss, will den aktuell höchst eingestuften Dreijährigen Europas erneut in die Knie zwingen. Doch ganz Irland wird enthusiastisch anfeuern, um das zu verhindern.
Für die Iren gibt es nichts Schöneres, als den Engländern ihre größten Rennen vor der eigenen Nase wegzuschnappen. Im Grand National hat das geklappt. Im Epsom Derby nicht. Nun versuchen sie es in den King George.
Die Pubs um den Curragh werden am Samstag zur Mittagsstunde bereits bestens gefüllt sein. Und wenn sich die Boxen zu dem Gruppe I-Event dann öffnen, trägt Johnny Murtagh nicht nur die Bürde des Favoriten, sondern auch so machen Euro seiner Landsleute.
Bei den Buchmachern zählt der Hengst des Aga Khan seit seinem Sieg im Irish Derby als Favorit für den dritten Lauf der Emirates World Series. Das ist nur eine logische Konsequenz nach dem Halbe-Länge-Erfolg über Dalakhani.
An der Frage, woran das Überpferd aus Frankreich auf dem Curragh gescheitert ist, streitet sich noch heute die Fachwelt. An der für Dalakhani ungewohnt hügeligen Kursführung, am eher überschaubaren Ritt von Christophe Soumillon, oder vielleicht einfach an einem stark gesteigerten Sieger.
Während für Dalakhani die King George nie in Frage kamen, gab Trainer John Oxx relativ zeitig zu Protokoll, dass er sein bestes Pferd in das Highlight der internationalen Turfszene schicken werde. „Er ist ein richtiges Sommerpferd und liebt den schnellen Boden. In Epsom, das war nicht Alamshar. Auf dem Curragh hat er aber dann sein wahres Können gezeigt und er ist ausgezeichnet auf dem Posten“, so Oxx.
Dieser hatte noch 48 Stunden vor dem irischen Klassiker einen Nichtstart in den Raum gestellt, eine leichte Rückenverletzung hätte die Derbypläne fast noch kurzfristig über den Haufen geworfen.
Zu Kursen zwischen 25:10 und 35:10 wird Alamshar bei den englischen und irischen Buchmachern gehandelt, vor allem die Punters aus dem Heimatland des Braunen haben in den vergangenen Tagen durch rege Nachfrage die Kurse nach unten getrieben.
Wetter, die ihre Pfund am Samstag auf den Kris S-Sohn Kris Kin setzen, konnten sich in den frühen Montagmorgenstunden vom Zustand ihrer King George Investition (Kris Kin notiert zwischen 45:10 und 60:10 überzeugen. Unter Kieren Fallon, der den Fuchs bereits im Epsom Derby steuerte und natürlich auch am Samstag an Bord sein wird, zeigte der Hengst eine passable Generalprobe für Ascot. Dabei musste der Championjockey Kris Kin zwar deutlich aufmuntern, doch ist man diese Arbeitseinstellung des Sir Michael Stoute-Cracks bereits gewohnt.
Wie es das Schicksal so will, war es Kris Kin-Trainer Sir Michael Stoute, der den bisher einzigen King George-Erfolg für den Aga Khan feierte. 22 Jahre, nachdem Shergar 1981 die traditionellen grün-roten Rennfarben zum Sieg in dem seit 1951 gelaufenen Gruppe I-Event trug, kann nun ausgerechnet Stoute den nächsten Aga Khan-Treffer in den King George verhindern. Der brillante Shergar war seinerzeit mit Siegen im englischen und irischen Derby nach Ascot gereist. Alamshar tut das nicht. Er hat „nur“ den irischen Klassiker gewonnen.
Im Englischen Derby blieb er als Dritter noch deutlich hinter dem für 90.000 Pfund nachgenannten Kris Kin (wurde von Morgenkursen von 150:10 noch bis auf 70:10 heruntergewettet), der im Gegensatz zu ihm seit Epsom pausiert hat. Für Kris Kin spricht, dass Sir Michael Stoute am Samstag als Titelverteidiger antritt, im Vorjahr mit dem Jahresdebütanten (!) Golan seinen dritten King George-Sieg nach Shergar und Opera House feierte. Am Samstag heißt es: Kris Kin vs. Alamshar, die Zweite.
Doch den Sieg in der 52. Auflage der King George werden die beiden nicht alleine unter sich ausmachen. Das steht fest. Denn auch die ältere Garde will und wird ein Wörtchen um die Krone mitreden. Die erste Runde des Aufeinandertreffens der Generationen ging klar an die Oldies.
In den Coral Eclipse Stakes hatten die fünf Dreijährigen um Norse Dancer und Hold That Tiger keinerlei Chancen, ließen nur die beiden Pacemaker des Rennens hinter sich. Natürlich handelt es sich bei Alamshar und Kris Kin um andere Ware als die Eclipse-Youngsters, und doch wartet mit Nayef ein echter Prüfstein auf die Dreijährigen.
Der Vorjahreszweite (Richard Hills, 45:10 bis 50:10) ist das höchsteingestufte ältere 2400 Meter – Pferd der Welt, könnte allerdings auf etwas kürzerem Weg noch einen Tick besser aufgehoben sein. Der fünfjährige Gulch-Sohn rehabilitierte sich von seiner Dubai Exkursion auf den World Cup-Sand (Dritter hinter Moon Ballad) blendend, startete seine Europa-Kampagne 2003 mit einem fulminanten Sieg in den Prince of Wales Stakes (Paolini wurde in jenem Rennen Achter). Danach wurde Nayef als Favorit in den Coral Eclipse Stakes zwar nur Zweiter hinter Falbrav, scheiterte aber wohl mehr am Rennen als an einem für ihn zu starken Gegner.
Während das Ballydoyle Quartier von Aidan O`Brien in einer wahren Horror-Saison kein Pferd ins Rennen schickt, trägt die blau-orangenen Farben von Michael Tabor erstaunlicherweise nicht Mick Kinane, sondern der französische Shootingstar Christophe Soumillon. Auf dem dreijährigen Magistretti (zuletzt unglücklicher Zweiter im Grand Prix de Paris) aus dem Stall von Neville Callaghan kommt Soumillon zu seinem ersten King George Auftritt.
Mit Victory Moon kommt erstmals in der Geschichte des Events ein südafrikanisches Pferd an den Start, Ipi Tombe-Trainer Mick de Kock hofft auf eine Platzierung des dreijährigen Derby-Siegers aus dem Wüstenemirat.
Insgesamt kommen 14 Pferde an den Start. Auch der Coronation Cup-Sieger Warrsan, John Dunlops Millenary, Nayefs Pacemaker Izdiham und Bollin Eric greifen in den Kampf um über eine Million Euro eingreifen.
Trainer David Elsworth sattelt Indian Creek, Richard Quinn wird sich des Außenseiters annehmen. Über einen Start von Falbrav entschied sein Team erst in letzter Minute. Der Japan Cup-Sieger startet mit Darryll Holland und wird das versuchen, was vor zehn Jahren Opera House gelang: einem Sieg in den Coral Eclipse Stakes danach einen Triumph in den King George folgen lassen. Zum Wochenende sind Schauer für Ascot prognostiziert, die Lager von Kris Kin und vor allem die Godolphins würde es freuen.
In der Reihenfolge Sulamani (Grand Prix de St Cloud), Grandera (Coral Eclipse Stakes) New South Wales (Deutsches Derby) versuchte Scheich Mohammed Al Maktoums Godolphin-Imperium, den 100. Gruppe I-Erfolg zu erzielen. Dreimal ging das Vorhaben Meilenstein dabei gründlich in die Hose. Am Samstag wird Saeed Bin Suroor nun Sulamani, Leadership und Grandera (Mick Kinane) ins Rennen schicken, um Gruppe I-Coup Nummer 100 endlich zu erzielen.
Drei der 99 Siege auf höchstem Galopperparkett (fünf davon in Deutschland) stammen immerhin aus den King George. Nach den Erfolgen von Swain 1997 und 1998 machte der Schimmel Daylami 1999 den lupenreinen Hattrick für die Blue Boys perfekt. Der Hernando-Sohn Sulamani (60:10) soll nur bei weichem Boden starten, ist in Bestform mit Sicherheit ein brandheißer Kandidat auf den Titel.
Auch für den vierfachen Weltmeister Frankie Dettori geht es um den vierten King George-Sieg, nach Lammtarra (bekanntlich auch im Besitz der Maktoum-Familie), Swain und Daylami durften die Ascot-Fans jeweils den Dettori-Jump sehen. Am Samstag würde Dettori noch höher springen als gewöhnlich, es geht ja schließlich um Gruppe I-Sieg Nummer 100. Doch auch das wollen die Iren verhindern. In den Pubs auf dem Curragh werden sie ihren Alamshar anfeuern und vielleicht dürfen sie schon um kurz nach fünf ein paar Pints darauf trinken, dass man den Nachbarn wieder mal ein Rennen weggeschnappt hat.