GaloppOnline.de: Es hat nach den ersten Veranstaltungen einige Kritik an der neuen Anlage in Neuss gegeben. Was hat sich seither verbessert? Wie sehen Sie hier die Entwicklung?
Andreas Tiedtke: Verbessert haben sich sicherlich die Rahmenbedingungen für Pferde und Aktive. Die kleineren Probleme, die es zu Anfang gab, z.B. der Übergang aus dem Führring heraus sowie kleine Probleme in der Renntechnik, sind behoben. Völlig unakzeptabel ist z.B., dass Herr Chapman die Rennen ohne jeglichen Witterungsschutz kommentieren muss. Kein Grund zum Jubel ist m.E. immer noch die nicht ausreichende Gastronomie und die merkwürdigen Zugangsregelungen auf der Dachterrasse.
Hier hat es intensive Gespräche mit dem Rennverein gegeben, der leider keinen direkten Einfluss auf die Umsetzung vor Ort hat. Man muss bedenken, dass die Stadt Neuss dieses Gebäude sowohl gebaut hat als auch betreibt und die Verträge zwischen dem Gastronomen und der Stadt abgeschlossen wurden. Das Problembewusstsein beim Rennverein ist da und man versucht alles, um Schritt für Schritt die noch offenen Probleme zu lösen.
GaloppOnline.de:Wie werden überhaupt Kundenwünsche für die Winterbahnen registriert und umgesetzt?
Andreas Tiedtke: Sowohl die Rennvereine, als auch das Direktorium stehen allen an sie herangetragenen Wünschen offen gegenüber. Es ist nicht so, dass lauter Blinde in der Verantwortung sind, sondern dass man Missstände entweder selbst erkennt oder die direkt geäußerten Wünsche aufgreift. Hilfreich ist sicher auch, wenn sich die Presse mit diesen Themen auseinandersetzt. Dort, wo Einflussmöglichkeiten sind und es finanziell darstellbar ist, bemüht man sich auch, die Kundenwünsche zu erfüllen.
GaloppOnline.de: Die Bahnumsätze waren bei schlechtem Wetter vor allem in Dortmund wenig berauschend, obwohl freier Eintritt auf die Tribünen gewährt wird. Wie kann man die Leute auf die Bahn locken?
Andreas Tiedtke: Die beiden besucherschwachen Renntage in Dortmund am 20. Dezember und 3. Januar sind unter denkbar schlechten Wetterbedingungen abgehalten worden. Viele Straßen waren noch nicht gestreut, so dass allein diese Bedingungen Besucher abgehalten haben. Bei ordentlichen Bedingungen, wie z.B. am 28. Dezember, war die Bahn in Dortmund gut besucht.
Auch ein attraktiver Termin wie der 31. Dezember führt erhebliche Besuchermengen auf die Rennbahn. Leider tun wir insbesondere im Winter noch viel zu wenig, um diesen Besuchern unser Produkt zu erklären und die Faszination Rennsport näher zu bringen. Dies ist m.E. einer der Kernfakten beim Aufbau des Projektes German Racing für die Rennbahnen.
GaloppOnline.de: Wie bewegen sich die Außenumsätze und die Zahlen allgemein?
Andreas Tiedtke: Die Außenumsätze sind insbesondere Ende 2009 ordentlich gestiegen. Dies ist m.E. Ausfluss der neuen Buchmacherverträge, die dazu geführt haben, dass beispielsweise Wettplattformen wie www.onextwo.com, www.pferdewetten.de und www.jaxx.de verstärkt vermittelt haben. Leider bricht der Umsatz immer dann ein, wenn die Felder zahlenmäßig für den Wetter nicht attraktiv sind. So waren am letzten Renntag in Dortmund die Umsätze in den Rennen mit 10 und mehr Pferden ordentlich, in einem Rennen mit nur 4 Pferden jedoch eine Katastrophe. Leider kann man gegen witterungsbedingte Einflüsse, Transportprobleme und Trainingsrückstände gerade im Winter nichts unternehmen.
GaloppOnline.de: Wie ist überhaupt das Verhältnis zu den Buchmachern geworden?
Andreas Tiedtke: Meines Erachtens ist das Verhältnis zu den Buchmachern im Jahr 2009 deutlich besser geworden. Die konstruktiven Verhandlungen, sowohl mit den stationären Buchmachern als auch im Internetbereich, stimmen mich optimistisch, dass wir diese Zusammenarbeit noch verstärken können. Der Buchmacher kennt sowohl seine Kunden als auch sein Geschäft sehr genau, so dass wir die Anregungen und Ideen aus dem Bereich der Vertragspartner viel stärker berücksichtigen müssen. Rechtzeitig vor der grünen Saison werden wir daher einen Workshop veranstalten, um Produkt und Vertrieb zu optimieren.
GaloppOnline.de: Mit 40 Prozent bei RaceBets.com hat German Racing nun einen erheblichen Anteil am führenden Online-Buchmacher. In welcher Größenordnung liegen die Zuwächse, die man sich dadurch verspricht?
Andreas Tiedtke: RaceBets.com hat in den vergangenen Jahren ein sehr beachtliches Wachstum an den Tag gelegt. Wenn es gelingt, nachhaltig dieses Wachstum fortzusetzen, verspreche ich mir weitere Zuwächse am Marktanteil, wobei man nicht vergessen darf, dass das Wachstumspotential auch in der Breite des Angebotes liegt, was nicht ausschließlich aus deutschen Rennen zustande kommen kann.
GaloppOnline.de: Die Bedingungen auf den Sandbahnen sind sehr unterschiedlich. Mal gewinnen nur Frontrenner, mal nur Speedpferde. Könnte man da nicht weitere Angaben für die Wetter publizieren?
Andreas Tiedtke: Für Anregungen und Vorschläge, wenn zusätzliche Infos gewünscht werden, sind wir offen. Wenn es machbar ist, werden wir diese Infos zur Verfügung stellen. Vielleicht kann die Sport-Welt einmal Beispiele für weitere interessante Angaben geben!
GaloppOnline.de: Bleibt man bei 30-Minuten-Abständen? Die kürzeren Abfolgen ließen sich ja kaum einmal realisieren.
Andreas Tiedtke: In Neuss scheitern die kürzeren Abstände u.a. an den weiten Wegen zwischen Führring / Absattelring und den Gastboxen-Bereichen. Generell brauchen die Reiter im Winter bei den Bedingungen auf der Sandbahn auch mehr Zeit, um z.B. Sattelzeug und Dress zu reinigen, so dass wir generell auf die 30 Minuten-Abstände zurückgegangen sind. Technisch möglich wären kürzere Abstände in Dortmund.
GaloppOnline.de: Zwar herrscht aktuell strenger Frost in Deutschland, aber dennoch lässt die Resonanz der Ställe aktuell etwas zu wünschen übrig. Wie ist das zu erklären? Kann man das bei den relativ geringen Geldpreisen überhaupt schnell ändern, zumal am Sonntag wieder ein Run auf die Deauville-Rennen einsetzte?
Andreas Tiedtke: Es ist eine der Notwendigkeiten der Strukturreform, dauerhaft zu Steigerungen im Rennpreisniveau zu kommen. Dies gelingt jedoch nur, wenn eine entsprechende Anzahl von Pferden in jedem Rennen läuft. Diesen Teufelskreis mit einer Initialzündung zu durchbrechen gelingt nur bei deutlich besserer finanzieller Ausstattung der Rennvereine.
Ob wir jemals ein Rennpreisniveau wie in Frankreich erreichen, halte ich angesichts des anderen Marktumfeldes für zweifelhaft; genau so zweifelhaft wie die Rechnung bei vielen Trainern in Bezug auf den Nutzen und den Aufwand von Frankreich-Starts. Im Verhältnis Starts zu Gewinnsumme hat sich 2009 im Vergleich zu 2004 der durchschnittliche Gewinn pro Pferd bei Auslandsstartern fast halbiert.
GaloppOnline.de: Im 4-Pferde-Rennen in Dortmund wurden 6000 Euro umgesetzt. Vermissen Sie da nicht eine Solidarität der Aktiven?
Andreas Tiedtke: Unabhängig von den konkreten Gründen für die Nichtstarter in einem 4-Pferde-Rennen frage ich mich sehr häufig, ob es sein muss, dass Trainer ein Pferd als Starter angeben und dann vier Tage später – bei gleichen Witterungsbedingungen – mit der Begründung abmelden, man habe nicht trainieren können.
Dies hätte man auch vorher wissen können. Die Entscheidung, ein Rennen mit 6 oder 7 Pferden überhaupt noch abzuhalten, fällt wirtschaftlich gesehen bei so vielen Nichtstartern immer schwerer. Man darf aber nicht vergessen, dass an den beiden Renntagen mit vielen Nichtstartern extreme Witterungsverhältnisse geherrscht haben.
GaloppOnline.de: Wieviel musste German Racing denn bislang im Winter für die Rennen bezuschussen?
Andreas Tiedtke: Eine genaue Zahl liegt uns noch nicht vor. Gesamtrennsportlich gesehen dürften sich, trotz der Zuschüsse aus den DVR-Wirtschaftsdiensten, die Winterrennen tragen. Hätten wir keine Winterrennen, würde sich beispielsweise die Belastung für die Totalisatorkosten bei allen anderen Rennvereinen um ca. 10% erhöhen. Es gäbe keine Einnahmen aus der Bildvermarktung und den Aktiven und Besitzern flösse ein hoher sechsstelliger Betrag nicht zu, was sich sicherlich negativ auf die Anzahl der Startpferde in Deutschland auswirken würde.
GaloppOnline.de: Machen Grasrennen bei milderer Witterung nicht wieder Sinn? In einer Umfrage von GaloppOnline.de wünschen sich viele derartige Prüfungen.
Andreas Tiedtke: Leider ist die Witterung nicht längerfristig vorhersehbar, so dass insbesondere die vielen kurzfristigen Absagen im Winter, zum Teil am Renntag selbst, vor Jahren zu dem Wunsch geführt haben, Witterungs- und Veranstaltungssicherheit durch den Bau erst der Sandbahn in Dortmund und dann in Neuss herbeizuführen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Wiederherrichtung einer Grasbahn im Winter außerhalb der Wachstumsperiode einen erheblichen Aufwand nach sich zieht. Die Rennvereine mussten in den vergangenen Jahren gerade beim gewerblichen Personal stark abbauen, so dass weder von der Kapazität, noch von den Kosten her Grasbahnrennen im Winter zur Zeit durchführbar sind.
Auch hat sich das Verhalten der Wetter geändert. Man darf auch nicht vergessen, dass ein erheblicher Außenumsatzanteil heute von den Internet-Wettplattformen kommt, das heißt, dass die Kunden nicht auf die Rennbahn gehen; zumal nur wenige Rennbahnen entsprechende Möglichkeiten bieten. Zur Erinnerung sei nur gesagt, dass die im Winter gut gefüllte Glastribüne in Gelsenkirchen zusammen mit der Rennbahn untergegangen ist. Außer Krefeld bietet keine Rennbahn auch nur annähernd soviel wettersichere Plätze wie Dortmund.
GaloppOnline.de: Wie hat sich die Reduzierung der Abzüge bemerkbar gemacht?
Andreas Tiedtke: Ob und inwieweit sich die Reduzierung der Abzüge bemerkbar gemacht hat, werden wir anhand vorliegender Daten statistisch valide erst Ende Januar auswerten können. Ein kleiner Trend ist sichtbar; zumindest hat es im Dezember in der Sieg- und Platzwette eine deutlich höhere Vermittlung von Außen gegeben.
GaloppOnline.de: Viererwetten mit hohen Jackpots sind unverändert der Renner. Ist es nicht möglich, Sponsoren für höhere Garantie-Auszahlungen zu gewinnen?
Andreas Tiedtke: Sponsoren für ein Glückspiel-Produkt mit Pferden kommen eigentlich nur aus dem rennsportnahen Bereich, sprich Buchmacher, in Frage. Wenn es hier Angebote gäbe, greifen wir sie gerne auf. Vielleicht machen die Sport-Welt und RaceBets.com den Anfang und erteilen uns für jeweils ein Rennen mit einer höheren Garantieauszahlung eine Sponsoringzusage in Form einer Unterdeckungsabsicherung. Dann sind 15.000 Euro oder gar 20.000 Euro für die Viererwette als Garantie kein Problem.
GaloppOnline.de: Weshalb gibt es keine Hürdenrennen in Neuss mehr?
Andreas Tiedtke: Der Neusser Rennverein hat mit Hinweis auf den Zustand des Geläufs mitgeteilt, dass er einen rennfähigen Zustand der Grasbahn für diesen Winter nicht darstellen kann. Hier muss man unter dem Gesichtspunkt „Animal Welfare“ klar sagen, dass die Sicherheit vor der Attraktivität geht.
GaloppOnline.de: Im März wackeln einige Renntage, wie eigentlich jedes Jahr. Wie kann man dem entgegenwirken?
Andreas Tiedtke: Der März ist für viele Rennveranstalter ein kritischer Monat, da die Witterungsbedingungen oft gegen einen größeren Zuschauerzuspruch sprechen und auch Sponsoren für ihren Event sich andere Temperaturen vorstellen. Insoweit ist es schwierig, alle Termine ordentlich zu besetzen. Wir sind aber sicher, durch geeignete Maßnahmen ein attraktives Programm anbieten zu können.
Gerade jedoch die Trainer und Besitzer, die lautstark Grasbahn-Rennen, insbesondere für 3jährige Pferde, fordern, waren mit ihrem Nennverhalten in der Vergangenheit oft genug für kleine Felder verantwortlich. Auch das schreckt die Rennvereine ab, März-Renntage verstärkt durchzuführen. Die Renntechnik im DVR arbeitet mit Hochdruck am Schluss der Lücken im Veranstaltungskalender.
GaloppOnline.de: Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Einzahlungen bei German Racing?
Andreas Tiedtke: Gerade die Veröffentlichungen kurz vor Weihnachten und die Mitteilung, dass wir uns an dem Marktführer im Online-Wettbereich beteiligen, führten zu weiteren Zusagen. Ich bin mir sicher, dass wir das Minimalziel erreichen. Da sich der Businessplan m.E. nunmehr greifbarer und positiver gestaltet, habe ich die Hoffnung, dass wir über das Minimalziel kommen. Es würde uns einen schnelleren Aufbau des eigenen Vertriebs und Strukturmaßnahmen ermöglichen.
GaloppOnline.de: Welche weiteren Stufen der Strukturreform sind als nächstes vorgesehen?
Andreas Tiedtke: Hierfür ist in nächster Zeit die Erstellung eines CD-Manuals zu German Racing und dessen Implementierung bei den Rennvereinen wichtig, so dass wir kurzfristig mit dem Aufbau einer einheitlichen Dachmarke für den Galopprennsport in Deutschland beginnen können. Parallel dazu müssen wir kurzfristig weitere Verschlankungen bei den Strukturen angehen. Dies alles hängt mit dem Erreichen des Investmentziels und der Unterzeichnung der entsprechenden Verträge ab, so dass wir neben vorbereitenden Maßnahmen im Januar ab Februar „Gas geben“ können.
GaloppOnline.de: Wie kann man die Qualität der Bilder generell verbessern? Manchmal können die Wetter die Pferde in vorentscheidender Phase nur mit der Lupe erkennen. Dieses Problem betrifft auch Baden-Baden (Gegenseite und Schlussbogen) und Hamburg (zu Beginn der Geraden, s. Jahresvideo).
Andreas Tiedtke: Die Qualität der Bilder hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von der Technik, zum anderen von der Anzahl der eingesetzten Kameras. Die Anzahl der Kameras zu erhöhen, erfordert Investitionen und höhere Betriebskosten, denn jeder Kameramann will bezahlt werden. Ob bessere Bilder sich unmittelbar in stärkeren Umsätzen niederschlagen, kann man nicht sagen, jedoch wäre es nicht nur wünschenswert, sondern es ist erklärtes Ziel, an der Bildqualität zu arbeiten. Mit Unterstützung von GermanTote wird es neue, deutlich sichtbarere Grafiken auf den Rennbahnen geben und eine – mit Unterstützung von RaceBets.com – neu angeschaffte tragbare Kamera zumindest im Zuschauerbereich bessere Bilder liefern.
Generell gilt für die Bilder, dass wir zwei unterschiedliche Ansprüche miteinander vereinbaren müssen. Dies ist zum einen der Wunsch vieler Wetter, Aktiver und auch der Rennleitung, das gesamte Feld zu sehen. Auf der anderen Seite der Wunsch von Besuchern und Fans, packende Nähe und Großformate zu sehen. Beides ist mit den i.d.R. vier Kameras in einem Rennen nicht zu bewerkstelligen. Hier gilt, dass je größer das mögliche Investment ist, desto eher können wir Verbesserungen in der Bilderstellung anbieten.
GaloppOnline.de: Ihr größter Wunsch für 2010?
Andreas Tiedtke: Für mich persönlich kann ich nur sagen: Gesundheit und Unabhängigkeit. Für den Rennsport wünsche ich mir einen breiten Zuspruch für das Investment-Projekt und einen möglichst schnellen Aufbau unseres Vertriebes, denn nur so kann das erfolgen, was wir absolut notwendig brauchen: Nämlich höhere Rennpreise und mehr Startmöglichkeiten!