GaloppOnline.de: Hoppegarten hat gerade ein Grupperennen aus Köln übernommen. Wie kam es dazu?
Gerhard Schöningh: Köln war abgabebereit, und man muss schon sehen, dass in Hoppegarten zuletzt sportlich etwas Magerkost geboten wurde mit nur einem Gruppe III-Rennen am Tag der Deutschen Einheit. Betriebswirtschaftlich war es aber absolut vernünftig, was der Rennverein Hoppegarten ab 2006 gemacht hat.
Doch nun möchten wir auf der größten und besten Rennbahn in Deutschland auch besseren Sport bieten. Das Rennen passt vom Termin her gut, wir haben damit Ende Mai ein Highlight für die erste Saisonhälfte. Und an diesem Tag sind sonst nur Rennen in Saarbrücken. Wir haben die Distanz für das Diana-Trial von 2200 auf 2000 Meter verändert. Damit ist die Prüfung für Steher-Stuten und Pferde, die es etwas kürzer mögen, attraktiv.
GaloppOnline.de: Sie haben das Programm für 2009 auf neun Renntage ausgebaut. Wie ist die Sponsorenlage dafür?
Gerhard Schöningh: Wir werden eine deutliche Steigerung gegenüber 2008 erreichen, wobei im Vorjahr die Basis aber relativ gering war. Zunächst einmal haben wir gute Bereiche gebaut. Mit der Klub- und der Haupttribüne verfügen wir über 300 Plätze. Im Oktober ist beides fertig geworden. In die Vermarktung sind wir erst im Dezember gegangen, stehen daher noch am Anfang. Klar ist allerdings, dass die Wirtschaftslage nicht einfach ist.
Wir werden das Sponsoring auf eine breite Basis stellen. Ich bin daher trotz der allgemeinen Lage zuversichtlich, dass wir unsere Ziele erreichen. In Berlin sind wir noch ziemlich unbekannt. Ich bin schon oft von Taxifahrern gefragt worden, wann denn die Rennbahn wieder aufmachen würde. Hier herrscht noch viel Unkenntnis. Meine aktuellen Themen sind die Gewinnung von Medien- und Werbepartnern, der Aufbau einer kontinuierlichen Pressearbeit, was auch ein Vertriebsjob wird. Man muss Pressemitteilungen herausgeben, aber auch Journalisten nachtelefonieren.
GaloppOnline.de: Was hat sich am Gesicht der Anlage verändert und was ist an Bau-/Verschönerungsarbeiten in naher Zukunft geplant?
Gerhard Schöningh: Zuerst einmal haben wir uns entschlossen, einige altbekannte Missstände abzustellen. Dazu gehörte die Erneuerung der fast 100 Jahre und zugesetzten Hauptwasserleitung von der Straße an alle Tribünen sowie die komplette Erneuerung der WCs in der Haupttribüne. Auch haben wir unsere Aufwendungen für die Pflege der Anlage erheblich erhöht.
Für die Besitzer und Trainer, die Starter an einem Renntag haben, haben wir in der Haupttribüne eine eigene Lounge geschaffen mit reservierten Sitzplätzen, einer großen Bar und bequemen Sofas. Dies ist in Deutschland einzigartig. Der Besitz von Rennpferden ist ein teures und an Enttäuschungen reiches Hobby – vor einem Rennen mit zehn Startern gehen alle Besitzer mit Anhang in den Führring in der Hoffnung, ihr Pferd als Sieger begrüßen zu können, doch leider gibt es in der Regel neun Verlierer – uns ist es wichtig, unseren Besitzer mit ihren Familien und Freunden trotzdem einen schönen Aufenthalt in Hoppegarten zu bieten.
Unser Besitzer – und Trainerbereich fand eine sehr gute Resonanz.
Wir haben ganz erheblich in moderne Hospitality-Bereiche investiert. Sie kennen sicher die Ausdrücke Business-Seats oder VIP-Logen aus dem Fußball, Eishockey oder Handball. In diesen Bereichen haben Unternehmen die Möglichkeit, auf besten Plätzen mit guter Bewirtung Geschäftsfreunde einzuladen. Die Einnahmen aus diesen Bereichen tragen ganz erheblich dazu bei, die hohen Spielergehälter und die Stadien zu finanzieren, gleichzeitig aber die Preise für das breite Publikum moderat zu halten.
Um Hoppegarten auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, sind wir ebenso auf diese Einnahmequellen angewiesen. Statt hoher Gehälter für gute Spieler, die die Menschen in die Stadien bringen, müssen wir hohe Rennpreise ausschütten, die dann gute Pferde anziehen. Außerdem haben wir drei große, denkmalgeschützte Tribünen, die renoviert und modernisiert werden müssen, sowie eine einzigartige Naturkulisse auf einem Areal von 207 Hektar, das in der Pflege nicht ganz billig ist.
GaloppOnline.de: Welche Hospitaliy-Bereiche wurden genau geschaffen?
Gerhard Schöningh: In der Haupttribüne haben wir die Hoppegarten-Lounge eingerichtet. Es gibt 150 Plätze mit 4er oder 6er Tischen mit hervorragendem Blick auf den Zieleinlauf, großen Flachbildschirmen und einem mobilen Wettservice. Mehrere Sitzgruppen mit bequemen Sofas und ein großer Bar-Bereich mit Blick auf die alten Bäume des Besucherbereichs schaffen eine entspannte Atmosphäre für den Austausch mit Ihren Gästen.
Sie erhalten ein drei-gängiges Menu, was am Platz serviert wird, sowie Kaffee, Kuchen und herzhafte Snacks am Nachmittag. Auf Wunsch vieler Kunden überlegen wir gerade, ab dieser Saison auf ein Buffet umzustellen, um die Bewirtung flexibler und kommunikativer zu gestalten.
Die exklusivste Tribüne der Rennbahn ist die Klubtribüne, von vielen auch Kaiser-Tribüne genannt. Die Klubtribüne ist auf allen drei Ebenen umgestaltet worden. Das alte Restaurant Oleander ist nun ein gemütlicher, aber heller Klubraum. Auch an den Renntagen im Frühjahr und Herbst wird hier ein Feuer im Kamin brennen.
Als Gastronom konnten wir das renommierte Restaurant Aigner vom Gendarmenmarkt gewinnen, das mit bester Hausmannskost auch die Staatsgäste der Bundesregierung bekocht. Herr Klitsch, einer der beiden Inhaber und ein leidenschaftlicher Koch, bereitet alle Speisen frisch zu. In den beiden Tribünengeschossen verfügen wir über insgesamt 150 Plätze mit neuen Stühlen und Tischen, und kleinen Lounge-Bereichen. Wir haben uns verschiedene Hospitality-Bereiche in der Region, u.a. das Olympia-Stadion und die neue O2-Arena genau angeschaut und glauben, hier von der Atmosphäre im Grünen und der Qualität der Gastronomie und des Service etwas Einzigartiges zu haben.
Bei allen Baumaßnahmen war unsere Absicht, die historische Architektur und den ländlichen und bescheidenen Charakter der Anlage zu respektieren, gleichzeitig wollten wir eine helle, einladende und freundliche Atmosphäre schaffen. Wir hoffen, dass es Ihnen gefällt.
Hoppegarten hat im Schnitt 5500 gezählte Besucher pro Renntag. Das ist für eine deutsche Rennbahn nicht schlecht, wir werden das aber stark ausbauen. Hauptsächlich sind es Menschen aus der Region, die zu uns kommen. Natürlich brauchen wir Sponsoring- und Hospitality-Bereiche, aber es muss ein Gleichklang herrschen. Die „normalen“ Besucher dürfen nicht den Eindruck haben, sie seien unwichtig.
GaloppOnline.de: Im Vergleich zu früher ist der Pferdebestand der Trainingszentrale in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Wie können Sie diesem Trend entgegensteuern?
Gerhard Schöningh: Zu den besten Zeiten standen in Hoppegarten 800 Pferde. Das waren 40 Prozent des deutschen Bestandes. Gestern habe ich in einem Wochenrennkalender von 1938 geblättert, da sieht man die Bedeutung Hoppegartens. Von 54 Top-Rennen fanden 20 hier statt und nur sechs in Baden-Baden oder drei in Hamburg. Das ist heute fast unvorstellbar. Zu einer großen Trainingszentrale gehören viele Renntage und gute Rennen. Wir wollen die Anzahl und die Qualität der Renntage steigern. Zudem verbessern wir die Trainingsbedingungen.
Auf der Trainierbahn werden umfangreiche Durchforstungsarbeiten durchgeführt. Da sind 30 Jahre alte Bäume an die Bahn rangewachsen. Wir haben da eine sehr gute Lösung gefunden, um die Bahn freizulegen. Außerdem ist der Sand verbraucht und die Drainage zugewachsen. Auch hier sind wir aktiv. Der Standort soll wieder deutlich attraktiver werden. Mit der Zeit werden Besitzer nach Berlin kommen. Auch haben wir ein großes Potenzial, Berliner als Neubesitzer zu gewinnen.
GaloppOnline.de: Hoppegarten ist die Hauptstadtbahn. Wie sind die Kontakte zu Politik und Gesellschaft? Werden sich hier wieder Prominente die Ehre geben?
Gerhard Schöningh: Unsere Prioritäten sind anders. Für mich ist wichtig, wer bringt uns wirtschaftlich voran? Das Stammpublikum und die Wirtschaft aus der Region stehen im Vordergrund. Der Mittelstand aus dem Umland, der auch in der Vergangenheit zu uns gestanden hat, ist von großer Bedeutung. Vermeiden wollen wir, dass man denkt, wir würden nach Berlin marschieren und uns nicht mehr für diese Unternehmen interessieren. Man muss das auch historisch sehen. Die Menschen aus Westberlin konnten nach 1945 bis zur Wende nicht mehr hierherkommen, daher sind wir aktuell noch eher die Rennbahn Brandenburgs und Teilen von ostberlin. Diese Leute muss man einbinden.
Und wir wollen bei der Berliner Wirtschaft bekannt werden. Das ist natürlich eine immense Arbeit, und wir befinden uns in einem frühen Stadium. Wenn wir eine gute Medienarbeit machen und Hoppegarten wirklich im Bewusstsein der Region ist, wird sicher auch Politik und Gesellschaft kommen Wir heißen Sie sehr herzlich willkommen, doch möchte ich aus Hoppegarten keine Promi-Bahn machen. Berlin ist eine vielschichtige und spannende Stadt. Die Rennbahn muss das abbilden.
GaloppOnline.de: Wie ist der finanzielle Spielraum?
Gerhard Schöningh: Ich bin weder ein Frank Stronach, der das Magna Racino gebaut hat, noch pfeife ich aus dem letzten Loch. Eine bestimmte Summe habe ich mir nichr als Maßstab gesetzt. Die Investitionen werden sehr gezielt unter Nutzung der vorhandenen Gegebenheiten erfolgen. Wir wollen Hoppegarten ins 21. Jahrhundert bringen. Das kann ich mir auch leisten.
Hoppegarten hat einen guten Namen und eine hervorragende Hardware. Wir haben vier Tribünen mit einer historischen Ausstrahlung, aber sie sind nicht unmodern und mit vertretbaren Mitteln zeitgerecht zu machen. Hier ist eine tolle Natur und alter Baumbestand, die Atmosphäre stimmt, und es gibt ein Riesen-Bevölkerungspotenzial. Im Wesentlichen muss man eine gute Vermarktung betreiben mit guten Ideen und versierten Leuten.
GaloppOnline.de: Haben sich Ihre persönlichen Vorstellungen bisher realisieren lassen?
Gerhard Schöningh: Wie bei jedem Projekt gibt es Probleme, aber es ist nichts passiert, was mich enttäuscht hat. Das Team ist im Übrigen noch nicht komplett. Eine Rennbahn wie Hoppegarten ist sehr komplex, da dauert es einige Zeit, bis man die Zusammenhänge alle kennt.
GaloppOnline.de: Wie sieht Ihr persönlicher Wochenablauf aus (Pendeln zwischen London und Berlin)?
Gerhard Schöningh: Rund 40 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich in Berlin, gerade war ich fünf Tage hier. Vieles kann ich aber auch von London aus machen.Allerdings werden in Zukunft auch ab und an Mitarbeiter zu mir nach London kommen.
GaloppOnline.de: Welche Erfahrungen aus dem Fondsbereich sind Ihnen bei der neuen Aufgabe von besonderem Nutzen?
Gerhard Schöningh: Das sind drei Punkte. Als Fondsverwalter ist es wichtig, bei den Unternehmen die erfolgsrelevanten Faktoren richtig zu beurteilen und gute Manager zu identifizieren, diese als Menschen und mit ihrer Strategie richtig einzuschätzen. Das habe ich jahrelang gemacht und mit Sicherheit Ahnung davon. Jetzt bin ich aber nicht mehr der Schiedsrichter, sondern der Spieler.
Zweitens: Als wir unsere Fonds-Firma aufgebaut haben, haben wir auch die Vermarktung selbst gemacht. Ich kenne viele Unternehmen. Man muss eine gute Story bieten können.
Und drittens: Hoppegarten war international ausgeschrieben, aber die Nachfrage war begrenzt. In der Investoren-Sprache würde man von einer Asset-Situation sprechen: Sehr viel Substanz, doch noch nicht profitabel. Aber solche Situationen reizen mich als Investor.
GaloppOnline.de: Die Strukturreform im deutschen Turf ist ins Stocken geraten. Der vermeintliche Investor war 2008 bei Ihnen auf der Bahn. Wie sehen Sie die Zukunft des Galopprennsports hierzulande?
Gerhard Schöningh: Das immens wichtige Thema ist das Wettsystem und die Außenwette. Eine Volumensteigerung ist für alle langfristig und für viele kurzfristig überlebenswichtig. Wenn der Sport schrumpft, ist das auch für Hoppegarten problematisch. Wir haben aber eine Top-Region, die sehr attraktiv ist.
Fünf Millionen Menschen leben in Berlin/Brandenburg. Hier ist die größte und beste Rennbahn, die je in Deutschland gebaut wurde. Die Menge an Aufgaben ist hier vor Ort immens. Wir können hier das eigene Glück zum großen Teil selbst beeinflussen. Ich bin da so eingebunden, dass ich bisher kaum Zeit hatte, mich mit dem Thema Strukturreform zu befassen. Aber ich hoffe natürlich sehr, dass es zu einer guten Lösung kommt.