GaloppOnline.de: Wie sieht Ihre erste Bilanz aus?
Carvalho: Ich habe vier Rennen gewonnen, leider wurde mir ein Treffer aberkannt. Bei 145 Ritten macht das einen Schnitt von drei Prozent. Das war natürlich nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Es ist leider nicht so gelaufen. Ich bin nie richtig ins Geschäft gekommen. An den ersten Renntagen hatte ich schon kein Glück und keinen Sieg geschafft. Man braucht da schon einen guten Start. Meine Pferde standen aber meistens zwischen 300 und 900 am Toto. Als ich aus dem Jockey-Zimmer kam und die Quoten meiner Kandidaten gesehen habe, konnte ich schon nicht mehr so optimistisch sein.
GaloppOnline.de: Warum haben Sie keine besseren Chancen bekommen?
Carvalho: Das Problem war, dass die Saison schon fünf Wochen vor meiner Ankunft begonnen hatte. Alle Gastjockeys waren vor Ort, 15 an der Zahl. Dazu kamen ebensoviele Chinesen, zahlreiche Lehrlinge. Es haben vierzig Reiter um zwölf Starter pro Rennen gekämpft. Ich hatte zwar Ritte mit niedrigem Gewicht, aber eben Pferde mit geringen Chancen.
GaloppOnline.de: Wie groß ist die Konkurrenz von Jockeys aus dem Ausland?
Carvalho: Es sind mehr und bessere Jockeys da als in den Jahren zuvor, wie mir meine Kollegen gesagt haben, die schon dort waren. Bei mir war es ja der erste Aufenthalt in Macau. Zum Beispiel sind Brett Doyle oder Eric Legrix sowie zwei Brasilianer, die im vergangenen Jahr Erster und Zweiter im Championat waren, im Einsatz. Natürlich kann man das nicht mit Hong Kong vergleichen, aber für die Anzahl an Rennen ist es schon beachtlich.
GaloppOnline.de: Werden die Rennen anders geritten als in Deutschland?
Carvalho: Ganz anders. Vom Start weg gibt es hohes Tempo. Taktische Geplänkel sind kaum möglich. Man muss mitgehen, eine gute Position haben. Die Rennen sind schon ziemlich hart. Es gibt viele Zweikämpfe.
GaloppOnline.de: Wird übertriebener Peitscheneinsatz geahndet?
Carvalho: Nein, manche Jockeys benutzen dreißig- oder sogar fünfzigmal die Peitsche. Ich habe das nicht gemacht.
GaloppOnline.de: Wie läuft das Management ab?
Carvalho: Man kann alles alleine machen, sofern man die Pferde kennt. Wenn das nicht der Fall ist, ist es schon ein großer Vorteil jemanden zu haben, der einem hilft und Kontakte knüpft. Allerdings hat jeder Manager nur einen Jockey, den er betreut. Das sind zumeist Journalisten oder andere Rennsportexperten. Ich hatte auch einen Manager, der sich bestens auskannte und für prominente Jockeys in der Vergangenheit gearbeitet hat, aber dennoch haben wir oft eine Absage bekommen.
GaloppOnline.de: Hatten Sie Kontakt zu anderen Jockeys?
Carvalho: Mit drei Kollegen aus Südafrika, Japan und Brett Doyle war ich öfter unterwegs.
GaloppOnline.de: Wie lief ein normaler Tag für Sie ab?
Carvalho: In Macau ist nicht soviel zu tun, da es fast nur Casinos und Hotels gibt. Ich habe an vier bis fünf Tagen in der Woche jeweils zwei- bis zweieinhalb Stunden morgens gearbeitet. An den ersten beiden Monaten herrschten Temperaturen von bis zu dreißig Grad. Mit den anderen Jockey war ich später oft im Swimmingpool, im Spa-Bereich oder auf dem Tennisplatz. Wenn man nicht spazierengeht, dann tut man etwas für die Fitness. Ich bin auch häufiger nach Hong Kong gefahren. Und ich habe einen viertägigen Urlaub in Thailand gemacht. Langweilig ist es mir nicht geworden.
GaloppOnline.de: Hat sich die Qualität der Pferde verbessert?
Carvalho: Das ist schwer zu sagen, das ich zum ersten Mal in Macau war. Es gibt schon ein paar Pferde, die nach unserer Einschätzung neunzig Kilo können. Aber das ist nur eine Handvoll oder ein halbes Dutzend. Die Pferde laufen sehr oft, treten alle ein oder zwei Wochen an. Wenn sie älter verlieren, verlieren sie doch sehr viel Potenzial bei dem strammen Programm.
GaloppOnline.de: Haben Sie überlegt, den Aufenthalt nach drei Monaten zu verlängern?
Carvalho: Nein, der Vertrag ist Mitte Januar ausgelaufen. Wenn ich um drei Monate verlängert hätte, hätte ich erst Mitte April nach Deutschland zurückkehren können. Das wäre aber für die Saison bei uns zu spät gewesen. Schließlich habe ich eine Verpflichtung bei Mario Hofer.
GaloppOnline.de: Andrasch Starke ist der neue Stalljockey. Wie sehen Sie Ihre Chancen bei rund 140 Pferden?
Carvalho: Ich war mittlerweise schon wieder zweimal im Stall, auch wenn ich noch frei habe. Es ist schon bemerkenswert, was für Pferde bei Mario stehen, sowohl was die Anzahl, als auch die Qualität anbetrifft. Zur Zeit muss ich noch eine Versicherungsfragen klären, gerade melde ich mein Auto wieder an. Ich bin weiterhin Jockey am Stall, das hat auch in den letzten Jahren gut funktioniert.
Wenn ein Jockey wie Andrasch Starke, der einer der allerbesten Reiter in Deutschland ist, sich auf dem Markt befindet, ist es nur logisch, dass ein so großer Stall ihn auch engagiert. Für mich ändert sich nicht viel. Da das Championat bei den Trainern wieder nach Siegen berechnet wird, dürfte Mario auf vielen verschiedenen Bahnen angreifen. Das beschert mir neben Andrasch und Peter Heugl sicherlich zahlreiche Ritte.
GaloppOnline.de: Welches Gewicht können Sie aktuell in den Sattel bringen?
Carvalho: Mit Sicherheit 52 Kilo, wenn es wärmer wird, auch 51 Kilo. Die drei Monate in Macau haben mir sehr gut getan. Es war richtig, nach fünf Jahren, die ich in Deutschland fast ohne Unterbrechung geritten bin, ein kleines Break in einer anderen Umgebung zu haben und etwas Neues zu sehen. Geist und Körper hat das gut getan. Das war wie ein kleiner Urlaub.
GaloppOnline.de: Wer managt Sie in Deutschland?
Carvalho: Harald Schneider vom Münchener Rennverein ist mein Manager. Er hat das in all den Jahren immer sehr gut gemacht, kennt jeden Trainer und die Formen aller Pferde.
GaloppOnline.de: Haben Sie ein Ziel für 2006?
Carvalho: Eigentlich nicht. Ich möchte in jedem Falle gesund bleiben und wieder einen Platz in den Top 5 erreichen. In den letzten drei Jahren habe ich gezeigt, dass ich dahin gehöre. 2005 habe ich 63 Rennen gewonnen, inklusive Macau 67. Das waren zwanzig Erfolge weniger als 2004, aber ich war dennoch zufrieden. Ich denke, wenn man in einer Saison mehr als 60 Rennen gewinnt, sollte man das auch sein.
GaloppOnline.de: Gibt es etwas, das Sie gerne aus Macau nach Deutschland übernehmen würden?
Carvalho: Es gibt eine Sache, die mir sehr gut gefallen hat. Das ist das Handicapsystem. Es finden fast nur Handicaps statt. Jeder Sieger bekommt sieben Pfund, der Zweite zwei Pfund, der dritte ein Pfund und der Viertplatzierte behält seine Marke. Ab dem fünften Platz bekommen alle Pferde zwei Pfund Nachlass. Bei uns sieht es anders aus. In Deutschland hat man nicht wie in Macau nach drei bis vier Starts seine Siegmarke wieder erreicht.
So etwas wäre bei uns auch nicht verkehrt, da man bessere Chancen hat, mit einem Pferd wieder etwas zu erreichen. In Macau sind auch 25-Minuten-Abstände zwischen den Rennen möglich, da es jede Menge Jockeydiener gibt. Ein Jockeydiener betreut vier bis fünf Reiter. Man geht auch erst zehn Minuten vor dem Rennen in den Führring und nicht schon fünfzehn Minuten wie bei uns. Natürlich ist vieles auch eine Frage der Geldmittel. Da sieht es in Macau besser aus.