GaloppOnline.de: Welche Bedeutung hatte der erste Sieg für Sie? Kam der Treffer auch für Sie überraschend?
Keere: Ich hatte mir eine kleine Chance ausgerechnet, hatte das Pferd ein paarmal in Holland gesehen. Ich wusste, dass er auf Sand ganz gut galoppieren würde. Eine Woche vorher in einem Amazonenreiten war All Points North nicht schlecht gelaufen, hatte aber ein sehr unglückliches Rennen. Und viel war in dieser Prüfung wirklich nicht drin. Ich habe in meinem Leben schon ganz viele Rennen gewonnen, ungefähr 1900, aber das war schon etwas Spezielles. Ich freue mich ohnehin über jeden Ausgleich IV-Sieg. Natürlich bin ich verwöhnt, habe normalerweise ja viele Ritte auf Sand gehabt.
GaloppOnline.de: Wie sind Sie wieder an die ersten Ritte gekommen?
Keere: Ich habe bei John Smith geritten, habe ihm gesagt, dass ich gerne wieder in Deutschland in den Sattel steigen möchte. Da hat er mir mit Learny Raaphorst einen Ritt gegeben. Dann war ich für Kevin Davies in Deutschland, habe auch noch den ein oder anderen Ritt dazu bekommen, wie jetzt von Herrn Bauermeister oder Kistenritte für Ian Ferguson. Für den Besitzer von All Points North habe ich schon vor zwanzig Jahren in Belgien gewonnen. In Deutschland war er noch sieglos. Es hat mich schon sehr gefreut, zumal es sich um eine familiäre Angelegenheit handelte.
GaloppOnline.de: Warum sind Sie damals von Denaro gestürzt? Viele haben Ihnen die Möglichkeit eines Wettbetruges unterstellt. Was sagen Sie dazu?
Keere: Es war ganz klar mein Fehler. Ich hatte zu der Zeit private Probleme. Ich weiß aber nicht, wie ich da heruntergefallen bin. Am nächsten Tag war ich wieder okay. Ich muss mir aber ankreiden, dass ich an dem Tag geritten bin. Ich war wohl einfach nicht in der Verfassung dazu. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein ehrlicher Mensch bin. Ich bin nicht absichtlich runtergesprungen. Ich reite immer so gut, wie das Pferd ist. Ich will jedes Rennen gewinnen. Früher hat es mehrere Fälle in Belgien oder Holland gegeben, als Leute von mir wollten, dass ich mit dem ein oder anderen Pferd ruhig machen sollte. Ich habe dann mit diesen Pferden aber gewonnen. Zocken interessiert mich nicht. Ich wette nicht. Natürlich komme auch ich in Kontakt mit Leuten, die wetten, aber krumm mache ich deshalb noch lange nicht.
GaloppOnline.de: Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht? Haben Sie auch daran gedacht, Ihre Karriere zu beenden?
Keere: Ich habe mich drei Monate lang ausgeruht und nachgedacht. Natürlich habe ich auch überlegt, ob ich aufhören soll, aber ich bin dazu einfach zu gut drauf, würde den Sport zu sehr vermissen. Privat ist auch alles im Lot. Ich lebe jetzt mit meiner Freundin in Holland.
GaloppOnline.de: Standen Sie bei dem Denaro-Ritt unter Medikamenteneinfluss?
Keere: Es war meine eigene Schuld. Ich musste zu der Zeit Medikamente nehmen. Leider habe ich nie auf die Doping-Liste geschaut, habe nur auf den Rat meines Arztes vertraut. Doch da stand das Medikament drauf. Das darf mir nicht passieren. Ich habe schon soviele Dopingproben in meinem Leben abgegeben, in Frankreich, Belgien, Deutschland. Nie gab es ein Problem. Und jederzeit kann man das bei mir machen. Das Problem war, dass es sich bei Denaro um einen haushohen Favoriten handelte. Auch andere Jockeys sind schon vom Pferd gefallen. Aber noch einmal, es war ganz klar meine Schuld. Ich hätte da einfach nicht reiten dürfen. Es war mein Fehler, aber jetzt möchte ich auch wieder eine Chance bekommen.
GaloppOnline.de: Haben Sie eigentlich noch einmal Kontakt zu Herrn Zimmermann gehabt?
Keere: Ich wollte erst einmal ein paar Monate nichts mehr hören, einfach mal abschalten, wieder zu mir selbst finden. Ich habe Herrn Hofer angerufen, war auch bei Herrn Zimmermann, um mich zu entschuldigen. Aber das habe ich etwas spät gemacht, später als es eigentlich erforderlich gewesen wäre. Ich musste mein Privatleben ordnen. In dieser Zeit habe ich mich in Belgien, meistens aber in Holland aufgehalten.
GaloppOnline.de: Warum nehmen Sie Ihr Management nicht mehr selbst in die Hand?
Keere: Ich habe mich früher um diese Sachen alle selbst gekümmert. Jetzt möchte ich doch auch noch andere Sachen machen können, mich um meine Freundin kümmern, auch einmal Ruhe haben. Frühere gab es für mich Tag und Nacht nur noch Pferde. Zunächst habe ich ja wieder in Belgien und Holland geritten. Es lief auch ganz gut, jetzt versuche ich es wieder in Deutschland. Ich habe Kontakt zu Dirk Baltromei, den ich sehr gut kenne, aufgenommen, er managt mich jetzt. Er ruft die Trainer an, sondiert die Nennungen. Er kennt viele Leute, macht einen sehr guten Job.
GaloppOnline.de: Wie wurden Sie von den Jockey-Kollegen aufgenommen?
Keere:Ich hatte eigentlich keine Angst, weiß, wie das Geschäft läuft. Aber ich war dann doch sehr erfreut, wie gut ich wieder empfangen wurde. Meine Kollegen waren sympathisch, auch viele Trainer und Besitzer haben mich herzlich willkommen geheißen.
GaloppOnline.de: Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?
Keere: Wir wohnen in Scheveningen in Holland unweit vom Strand und nicht weit entfernt von der Rennbahn. In Holland und Belgien haben wir viele Freunde. Ich werde sicher an interessanten Renntagen auch dort reiten, bei versprechenden Chancen nach Deutschland kommen. Wir haben hier unsere Ruhe, wollen uns langsam etwas aufbauen. Ich möchte das an dieser Stelle auch meinen Freunden in Holland danken.
GaloppOnline.de: Um über den Tellerrand hinauszublicken -wie lange wollen Sie noch reiten? Können Sie sich vorstellen, später Trainer oder Agent zu werden? Beim Pferdekauf haben Sie ja schon einige Erfolge erzielt.
Keere: Ich habe immer gesagt, dass ich kein Trainer werden will. Es müsste schon ein sehr gutes Angebot sein. Ich werde nie auf eigene Kappe als Trainer tätig sein. In Holland hat man da keine Zukunft, und in Deutschland ist das viel zu schwer. Ich hoffe, noch lange reiten zu können. Gewichtsprobleme habe ich nicht, kann 52-53 Kilo bringen. Ich reite wirklich sehr gerne. Als ich drei Monate nicht mehr im Einsatz war, fehlte mir etwas, auch das Adrenalin. Ich reite, solange ich mich auf einem guten Niveau halten kann. Natürlich werde ich jetzt mehr auf meine Gesundheit achten. Gerne möchte ich jetzt auch wieder als Agent ins Gespräch kommen. Sehr gut habe ich schon in der Vergangenheit mit Herrn Ellerbracke vom Gestüt Auenquelle zusammengearbeitet. Gerade in Frankreich liefen unsere Käufe sehr gut. Wie Serpenta, die am Sonntag ihr viertes Rennen gewann. Oder Pretty Fighter. Ich verfolge weiterhin alle Rennen, kenne sämtliche Formen und jedes Pferd, zumindest wenn ich jetzt wieder einen Monat geritten habe. Das ist meine Stärke. Ich brauche ein Pferd nur einmal geritten zu haben, dann weiß ich das noch in zehn Jahren.
GaloppOnline.de: Wie haben Sie sich während Ihrer Auszeit über die deutschen Rennen informiert?
Keere: Ich habe häufig ins Internet geschaut, Zeitungen gelesen, vor allem bei den großen Rennen. In erster Linie wollte ich aber einmal abschalten.
GaloppOnline.de: Werden Sie ständig zwischen Holland und Deutschland pendeln?
Keere: Ich hatte früher eine Wohnung in Deutschland. Doch die habe ich inzwischen abgegeben. Es lohnt sich einfach nicht mehr, sie steht häufig leer, dann sind ja auch jede Menge Renntage weggefallen. Außer samstags und sonntags sind fast nur noch bei Meetings Rennen, und da bin ich ohnehin die ganze Woche vor Ort. Ich komme dann in Zukunft immer aus Holland, werde von Samstag auf Sonntag im Hotel übernachten, wenn es erforderlich ist.
GaloppOnline.de: Wie ist Ihr Draht zu Hollands Dauer-Champion Jan Pubben?
Keere: Mit Jan komme ich sehr gut zurecht. Wir haben einen guten Kontakt. Ich durfte für ihn schon viele Sieger reiten. Wenn Adrie einmal nicht kann, könnte ich durchaus wieder für ihn in den Sattel steigen. Allerdings ist sein Stall in Sevenum bei Venlo, nicht weit von der holländischen Grenze. Er ist ungefähr eine Stunde von den meisten NRW-Bahnen entfernt. Wir wohnen bei Duindigt, das sind etwa zweieinhalb Stunden Anfahrt.
GaloppOnline.de: Zahlreiche Jockeys haben inzwischen ein Ticket für Asien bekommen. Kommt für Sie auch ein Auslandsaufenthalt in Hong Kong, Macau oder Singapur in Frage?
Keere: Natürlich interessiert mich so etwas. Allerdings habe ich da bislang relativ wenig Kontakte. Vor zwanzig Jahren bin ich in den USA geritten, in Hialeah. So richtig um ein längeres Engagement im fernen Ausland habe ich mich nicht gekümmert. Meine Frau hat immer die Familie in den Vordergrund gestellt, wollte auch mal Urlaub machen. Aber in unserem Sport kann man nicht alles planen. Sie hatte ein Geschäft, was wir auch ins Kalkül ziehen mussten. Jetzt bin ich unabhängig. Meine Freundin ist sehr pferdebegeistert, reitet auch selbst.
GaloppOnline.de: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Keere: Da wir am Strand wohnen, laufe ich viel, gehe mit unserem Hund spazieren. Wir schauen uns auch gern mal einen schönen Film im Kino an. Arbeit und Hobby zugleich sind für mich die Pferde. Wenn meine Freundin ihrem Job nachgeht, koche ich. Wir gehen auch gerne aus.
GaloppOnline.de: Erinnert Sie der derzeitige Einbruch im deutschen Turf an die Situation vor einigen Jahren in Belgien?
Keere: In der Tat, das habe ich in Belgien schon einmal mitgemacht. Die Anfänge sehe ich jetzt wieder in Deutschland. Vor zehn jahren war unser niedrigstes Rennen mit 2000 Euro dotiert, danach ging es weiter runter.
GaloppOnline.de: Was sind für Sie die Hauptgründe für den Negativtrend in Deutschland?
Keere: Man hat hier viele Fehler gemacht. Das Direktorium hätte die Bilder-Vermarktung selbst in die Hand nehmen sollen. In Frankreich ist man unabhängig davon, wieviele Leute auf die Bahn kommen. Die Wetten kommen von überall rein, und natürlich in den Toto. In England hat man Verträge mit Buchmachern wie Ladbrokes oder Hill abgeschlossen, das bringt Millionen für den Sport. In Deutschland brauchen die Buchmacher nur für die Bilder zu bezahlen. Würde ich zum Beispiel einen Buchmacherladen Pascal van De Keere aufmachen, müsste ich nur einmal investieren, vielleicht 50.000 Euro. Danach kommt alles zurück zu mir. Doch was kommt zurück in den Sport? Dann halte ich es auch für verfehlt, Eintritt zu verlangen. Es müsste immer freien Eintritt geben. Man müsste, gerade im Winter, froh sein über jeden, der noch auf die Rennbahn kommt. Wenn in Deutschland die Leute nicht auf der Bahn wetten, kommt nur wenig Geld rein. Ganz wichtig wäre mehr TV-Präsenz. England und Frankreich haben einen eigenen Racing Channel bzw. Equidia. Und ein Sponsor will einfach ins Fernsehen. Sonst nimmt man ihn doch gar nicht richtig wahr. Das Direktorium hätte selbst Wettannahmen eröffnen, auch Wetten übers Internet anbieten sollen.
GaloppOnline.de: Gerade die Winterbahnen sind mächtig am Wackeln. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Keere: Die großen Bahnen und Top-Renntage oder Meetings sind okay. Baden-Baden oder Hamburg übernehmen alle möglichen wichtigen Prüfungen, auch die Top-Termine in Köln werden funktionieren. Zahlreiche andere Bahnen müssen alles Mögliche abgeben. Dass große Besitzer ihre Pferde kaum auf Sand aufbieten, kann man verstehen. Aber unsere Basis geht kaputt. Wenn es so weitergeht, werden bald nur noch gute Rennen auf Bahnen wie Baden-Baden, Hamburg, Köln oder Düsseldorf sein. Anderen wird es sehr schlecht gehen oder diese Bahnen fallen weg. Ein Beispiel von vergangenem Wochenende aus Dortmund. Als ich vor Jahren erstmals nach Deutschland kam, waren die Glastribünen gut besetzt. Am Samstag waren sie zu den letzten Rennen leer, auch sonst hat mein kaum Leute gesehen. Es wird zuwenig Werbung gemacht. In Deutschland wissen in der jeweiligen Stadt doch wenig Leute, dass überhaupt Rennen sind. Dann sind die Rennen viel zu sehr aufs Wochenende konzentriert. Unter der Woche findet nichts statt, alles nur am Wochenende. Und dort konzentriert es sich dann mit vier Bahnen an einem Sonntag. So etwas geht in England, aber nicht hier. Deshalb schauen sich die Wetter alles beim Buchmacher an. Warum sollten sie irgendwo hinfahren, wenn sie beim Buchmacher alles sehen können, und das oft gerade einmal fünf oder zehn Minuten von zu Hause entfernt.
GaloppOnline.de: Was ist Ihr Hauptziel für 2004?
Keere: Ich will ganz einfach glücklich sein mit meiner Freundin. Alles andere kommt dann von selbst.