Mit Hauke
Wilkens

GaloppOnline.de:
War der QE Cup in Hong Kong wegen der SARS ernsthaft in Gefahr? Was halten Sie von der Entscheidung, das Rennen stattfinden zu lassen?

Hauke Wilkens:
Die Verantwortlichen des Hong Kong Jockey Club haben sich die Entscheidung sicher nicht leicht gemacht. Hier, vom Schreibtisch in England aus, lässt sich das unmöglich kommentieren, der Galopprennsport in Hong Kong ist eine hoch entwickelte, sehr komplexe Industrie und es wird eine Vielzahl von Argumenten eine Rolle gespielt haben. Die enorm leistungsfähige Telefonwettannahme des Hong Kong Jockey Club und die Übertragung der Rennen in den elektronischen Medien dürften aber dazu beitragen, auch bei geringerer Besucherzahl das Wettgeschäft auf hohem Niveau zu halten.

GaloppOnline.de:
Welche Neuerungen innerhalb der World Series sind für 2003/die nächsten Jahre geplant?

Hauke Wilkens:
Es liegen etwa 20 Aufnahme-Bewerbungen von Gruppe 1 Rennen rund um den Globus vor. Ich rechne damit, dass die Mitgliederversammlung der World Series die Aufnahme von zwei zusätzlichen Rennen im nächsten Jahr beschließen wird.

GaloppOnline.de:
Dubai hat sich aus der Series zurückgezogen? Wo liegen die Gründe? Haben Sie Hoffnung auf eine Rückkehr?

Hauke Wilkens:
Offensichtlich vollzieht sich eine Art von Neuordnung innerhalb der Organisation des Rennsports in Dubai, auch in personeller Hinsicht. Binnen weniger Tage nach dem Dubai World Cup wurde das Ausscheiden der drei obersten Manager im Rennsport in Dubai, Les Benton, Nancy Petch und Ali Kahmis Al Jafleh, bekannt. Wir hoffen mit dem künftigen Management ein Rennen des Dubai World Cup-Tages in die Serie zurückzuholen.

GaloppOnline.de:
Wie finanziert sich die Serie aktuell?

Hauke Wilkens:
Die Serie finanziert sich zurzeit durch TV Lizenzeinnahmen und Beiträge der Mitgliedsorganisationen.

GaloppOnline.de:
Wie ist der Stand bei der Sponsorensuche? Die Suche zieht sich doch schon länger hin als geplant.

Hauke Wilkens:
Wir stehen seit einigen Monaten mit einem internationalen Finanzunternehmen in Verhandlung über die Titelsponsorschaft. Es ist natürlich in Zeiten mit Rezession, Krieg und einer neuartigen Virus-Epidemie nicht einfach, die Entscheidungsträger zu offensiven Entschlüssen zu bewegen. Die meisten Unternehmen weltweit haben zurzeit andere Sorgen als Sport-Sponsoring. Da muss man sehr behutsam und manchmal leider auch langsam vorgehen, um sich nicht ein verfrühtes „Nein“ abzuholen, bevor der potentielle Partner wirklich alle Informationen über das Angebot erhalten und auch ausgewertet hat. Wie man aus der Branche hören konnte, haben zum Beispiel die Verhandlungen über die Sponsorship eines deutschen Automobilbauers für eine Segelveranstaltung bis zum kürzlich erfolgten Abschluss 18 Monate gedauert. Nicht als Titelsponsor, aber als offiziellen Partner haben wir ein sehr nobles Automobilunternehmen gewinnen können. Die erst für Hong Kong, dann für Singapur geplante öffentliche Bekanntgabe mussten wir jetzt leider auf Grund der aktuellen Entwicklung in Sachen SARS nochmals verschieben. Eine Bekanntgabe in festlichem Rahmen, aber mit Atemmasken das ist nicht leicht vorstellbar.

GaloppOnline.de:
Wie schwer ist es in der heutigen Zeit, einen Sponsor für Galoppsport-Events zu bekommen?

Hauke Wilkens:
Crash des Internet Aktienmarkts, Ende des IT-Booms, der 11. September, Golfkrieg und jetzt auch noch SARS – die Budgets für „corporate communication“ sind weltweit zusammengestrichen worden und wenige Unternehmen sind motivierbar, etwas Neues auf diesem Gebiet anzupacken. Altbewährtes und für Sponsoring und Werbezwecke erwiesenermaßen Gutes wie zum Beispiel die Fußball-Bundesliga verkauft sich noch ganz gut in diesen Zeiten. Eine erst 4 Jahre alte Galoppweltmeisterschaft hat es da schwerer, was genauso für ein einzelnes Rennen gilt. Das ändert nichts daran, dass der Galopprennsport für viele Zwecke und für viele Unternehmen genau das Richtige ist und zu vertretbaren Kosten viel bieten kann. Allerdings müssen manche Rennbahnen sich viel stärker bewusst machen, dass man gerade heute nicht bloß Schecks in Empfang nehmen kann, sondern auch dafür sorgen muss, dass der Sponsor das bekommt, was er will und braucht, und das muss den Entscheidungsträgern demonstriert und für sie dokumentiert werden.

GaloppOnline.de:
Könnten in Deutschland auf Dauer weitere Rennen der Weltserie stattfinden?

Hauke Wilkens:
Das halte ich nicht für ausgeschlossen. Sportliche, aber auch finanzielle Gesichtspunkte könnten dabei eine Rolle spielen. Zurzeit haben wir aber keinen Antrag auf Mitgliedschaft aus Deutschland auf dem Tisch.

GaloppOnline.de:
Wie ist die aktuelle Medien-Resonanz (vgl. Formel I)?

Hauke Wilkens:
Wir sind davon positiv überrascht. Der Medienerfolg war größer als erwartet. Insbesondere in Deutschland sind die Annahmen übertroffen worden. Es gibt allerdings auch Länder, für die das erheblich weniger gilt. Die Beteiligung der einzelnen Rennen an der Serie hat sich in nur 4 Jahren als etwas schon sehr Selbstverständliches durchgesetzt. Die heute fehlende Titelsponsorship hat leider dazu geführt, dass wir mit unseren sehr ehrgeizigen TV Plänen ein ruhigeres Tempo einschlagen müssen. Aber die Formel 1 hat seinerzeit über 30 Jahre gebraucht, um die jetzige TV Abdeckung zu erreichen.

GaloppOnline.de:
Gibt es in Zukunft noch eine TV-Abdeckung in Deutschland? Premiere hat sich ja zurückgezogen…

Hauke Wilkens:
Premiere war natürlich ein Glücksfall für uns. Er ging zum großen Teil auf das Konto von Addi Furler und Peter Brauer. Der Sender hat die Weltserie drei Jahre lang übertragen und bestmöglich aufbereitet. Es gab sogar Studiosendungen mit Manfred Hofer als Co-Moderator. Nicolaus von Miltitz und einige andere haben Erstklassiges geleistet. Inzwischen hat sich die Situation im Unternehmen dort bekanntlich sehr verändert. Es gibt aber noch Gespräche mit Premiere. Unsere TV-Vertriebsfirma in London ist auch mit anderen Sendern im Kontakt und versucht weiterhin, die Weltserie ab Ascot auch im deutschen Fernsehen wieder unterzubringen. Leicht ist das aber nicht, denn die deutschen Medien konzentrieren sich immer mehr auf eine zu eng umrissene Zahl an Sportarten. Was die gebührenfinanzierten Sender angeht, ist es doch immer wieder erstaunlich, dass so etwas in Deutschland überhaupt möglich ist. Die Privatsender setzen allein geschäftspolitisch motivierte Trends und die Öffentlichrechtlichen hecheln, von niemandem aufgehalten, hinterher, unter Vernachlässigung von großen Teilen ihrer sonstigen Berichterstattungsaufgaben.

GaloppOnline.de:
Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation im deutschen Turf?

Hauke Wilkens:
Als ehemaliger Rennbahn-Geschäftsführer betrachte ich das hauptsächlich aus der Sicht der Veranstalter. Die Rahmenbedingungen der Rennvereine verschlechtern sich von Jahr zu Jahr, keine Mittel für Investitionen, viele haben nur ein Bruchteil der für eine sachgerechte Instandhaltung notwendigen Mittel zur Verfügung, hohe Verschuldungen – kurz: die Lage der meisten Rennvereine ist dramatisch schlecht. Es ist in vielen Fällen durchaus erstaunlich, dass es den Vereinen trotz langjährig entstandener Mangelerscheinungen gelingt, sehr gut organisierte und oft auch gut besuchte Renntage abzuhalten. Die Entwicklung hat die deutschen Rennveranstalter in extremer Form zu Einsparungen gezwungen, die Verantwortung und die Arbeitsbelastung ruhen auf erheblich zu wenigen Schultern. Wenn ich im Ausland erzähle, mit wie wenig Personal die deutschen Bahnen instand gehalten und die Veranstaltungen durchgeführt werden, ernte ich stets ungläubiges Staunen. Auch werden kleine Renntage und Rennen nirgendwo in der Welt so erfolgreich vermarktet wie von einigen deutschen Rennvereinen. Trotzdem: Die Vereine sind in der Gefahr, sich unter dem jetzigen Druck zu Tode zu sparen.

GaloppOnline.de:
Was wären Wege aus der Krise?

Hauke Wilkens:
Eine grundlegende Änderung der rechtlichen Situation wäre natürlich der Königsweg. Eine gesetzlich geregelte Beteiligung der Buchmacher an den Kosten der Rennveranstaltungen wäre sicher hilfreicher als die heutigen Marktbedingungen. Die notwendigen Investitionen, um die Rennbahnen konkurrenzfähig mit der Freizeitindustrie des 21. Jahrhunderts zu machen, können aber vielleicht nur von privaten Betreibergesellschaften aufgebracht werden, die Gewinne machen und auch ausschütten dürfen. Ohne den Anreiz, Geld verdienen zu dürfen, läuft nun mal nicht viel. Ob eine entsprechende Änderung der Gesetzeslage möglich ist, kann ich nicht beurteilen. Was die Wetten angeht, bin ich eher pessimistisch: Die Rahmenbedingungen sind einfach sehr schlecht, eine Stabilisierung des derzeitigen Marktanteils wäre für mich schon ein Erfolg. Wie bereits erwähnt, sind deutsche Rennveranstalter sehr erfolgreich im Verkauf von Kundenveranstaltungen. Ich denke da eher an Verkaufsförderung und spreche bewusst nicht von „sponsoring“, weil dieser Begriff für die meisten Renntage nicht zutrifft. Für den überwiegenden Teil der beteiligten Unternehmen sind ihre Aktivitäten auf den deutschen Rennplätzen kein Teil ihrer Kommunikationsstrategie, sondern im Bereich der direkten Vertriebsförderung angesiedelt. Ich glaube, die deutschen Rennveranstalter können den Erfolg beim Verkauf dieser „kleinen“ Corporate Hospitality Pakete noch weiter ausbauen, wenn Stück für Stück weiter in den Ausbau der entsprechenden Anlagen investiert wird. Die richtigen „großen“ Sponsorships, wie zum Beispiel das BMW Derby Meeting, sind gerade in diesen Zeiten sehr schwer zu bekommen und nur für die überragenden Events in unserem Sport realisierbar.

GaloppOnline.de:
Was sind aktuell Ihre persönlichen Schwerpunktaufgaben?

Hauke Wilkens:
In den letzten 20 Monaten konzentriert sich natürlich bei uns alles sehr auf die Suche nach neuen Sponsoren. In den ersten Monaten nach dem 11. September war in dieser Hinsicht überhaupt nichts zu machen, aber im letzten halben Jahr ist nun auch durch die gute Arbeit unserer Agenturen, Pathstock in London und Scholz & Friends in Berlin sehr viel Schwung in die Sache gekommen. Im Augenblick ist natürlich die SARS Situation ein auch für uns großes Thema.

GaloppOnline.de:
Was ist ihr eigener World-Series-Traum oder Wunsch?

Hauke Wilkens:
Eigentlich empfinde ich das Zustandekommen der World Series Racing Championship in dieser Form schon als wahr gewordenen Traum. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass es so schnell eine Weltmeisterschaft in unserem Sport geben und dabei Baden-Baden in einer Liste mit Ascot und Arlington stehen würde? Vor allem wünsche ich mir für die World Series jetzt, dass die weltwirtschaftliche Lage sich wieder entspannt und internationale Unternehmen wieder mehr in der Lage sind, in neue Sponsoringkonzepte zu investieren. Ich denke, nach all den belastenden Ereignissen wünschen wir uns alle wieder etwas normalere Zeiten.

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So, 08.12. Dortmund
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