GaloppOnline.de:
Sind Sie mit unserem derzeitigen Handicapsystem voll zufrieden?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Ich denke, es hat sich jahrzehntelang bewährt, und was sich als funktionsfähig erwiesen hat, sollte man nicht unbedingt ändern. Immer wieder werden Rufe nach einer Reformierung des Systems laut, aber ich meine, dass vor allem zwei Dinge bei dieser Überlegung berücksichtigt werden müssen. Erstens: Was will ich damit erreichen und zweitens, was noch viel wichtiger ist und oft übersehen wird: Bin ich mir über die Konsequenzen dieser Veränderung im Klaren?
GaloppOnline.de:
Die Besitzervereinigung meldete sich vor Jahren zu Wort, da sie die Pferde insgesamt zu hoch eingestuft sah, und die Handicapper änderten vorübergehend ihre Vorgehensweisen, indem sie ‚vorsichtiger‘ mit ihren Einstufungen umgingen.
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Ja, aber die Folge war, dass der Jahresdurchschnitt der Dreijährigen und Älteren binnen weniger Jahre absackte, da Sieger nicht so hoch eingeschätzt wurden und auch im Handicap schneller wieder Nachlass fanden. Die Qualität litt mehr darunter, als dass sie Nutzen daraus ziehen konnte, und es ergab sich kein Vorteil gegenüber früherer Arbeitsweise.
GaloppOnline.de:
Diese Scharte wurde vor wenigen Jahren (Anfang 1999) wieder versucht, wettzumachen, indem das GA-System komplett angehoben wurde.
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Genau die entgegengesetzte Richtung wurde von eben jenen Kritikern eingeschlagen, da unsere Listen- und Grupperennen im internationalen Vergleich nicht mehr ganz mithalten konnten, sie mussten gar um ihren Status bangen.
GaloppOnline.de:
Der internationale Vergleich spielt also eine wichtige Rolle.
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Deutschland ist Teil der International Classification steht also immer im internationalen Vergleich, und das ist auch gut so.
GaloppOnline.de:
Ausländische Pferde, vor allem Skandinavier, sieht man auf unseren Rennbahnen deutlich weniger als noch vor drei oder vier Jahren, könnte das daran liegen, dass sie in unserem Handicapsystem zu hoch eingeschätzt werden?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Nein, das denke ich nicht. Sie müssen ja auch entweder dreimal gestartet sein oder gewonnen haben, um eine Einschätzung zu bekommen. Die skandinavischen Kollegen arbeiten ebenfalls gewissenhaft, und wir übernehmen ihre Einschätzungen in etwa, da sie eine sehr gute Richtlinie darstellen. Außerdem starten gerade die guten Sprinter Shawdon, Terroir und wie sie alle heißen doch fortwährend in unseren Sprintprüfungen.
GaloppOnline.de:
Gibt es unterschiedliche Bewertungen der Leistungen, wenn Pferde auf Sand oder auf Gras gewinnen?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Natürlich, das ist doch ganz klar. Als groben Maßstab kann man sagen, dass ich bei meiner Ausrechnung die Abstände auf Sand gegenüber jenen auf Gras halbiere, da es auf der Allwetterbahn deutlich größere Abstände gibt als bei regulären Turf-Bedingungen.
GaloppOnline.de:
Wäre nicht ein eigenes Handicapsystem für die Allwetterbahn sinnvoll? So wie es in Großbritannien besteht.
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Das ergibt einfach keinen Sinn. Auf der Insel gibt es viele Pferde, die nur auf Sand starten, bei uns sieht es eher so aus, dass man im Sommer auf Gras startet, im Winter auf Sand. Die Anzahl der Pferde ist in Deutschland einfach viel zu gering, daher würde ich das ablehnen.
GaloppOnline.de:
Ist es gerechtfertigt, dass ein altes Pferd, das seit Jahren auf seiner Handicapmarke startet, sich nicht groß verbessert, aber auch nicht verschlechtert, wenn es auf Sand einmal mit 20 Längen Vorsprung gewinnt, dafür sechs Kilo Aufgewicht bekommt?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Ich sage dem Besitzer immer, dass er sich in die Lage des Zweit- und Drittplatzierten aus diesem Rennen versetzen soll. Denn wenn sich diese drei Pferde zwei Wochen später wieder treffen und der Sieger nur vier Kilo Aufgewicht für seinen 20 Längen-Sieg bekam, dann fragt doch jeder, ob der Handicapper da geschlafen hat.
GaloppOnline.de:
Gibt es denn eine Möglichkeit zu insistieren, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt?
<Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Sicher, ich sage jedem Besitzer oder Trainer, dass er mit seinem Anliegen zu mir kommen soll. Man kann über alles reden. Ich mache sicher auch Fehler und bin bereit, diese zu korrigieren, wenn nötig. Ich beobachte das Pferd dann noch mal im Rennen und, wenn ich zu der Überzeugung komme, dass die Einschätzung zu hoch ist, revidiere ich sie.
GaloppOnline.de:
Lamentieren Trainer und Besitzer häufig?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Natürlich kann man als Ausgleicher nicht Liebling der Massen sein, aber für mich steht eines ganz eindeutig fest: Jeder ist nur an seinem Vorteil interessiert. So kam einmal ein großer Trainer zu mir und bat um Nachlass im Handicap für seine Stute. Drei Wochen später kam er wieder zu mir, inzwischen hatte sich das Pferd verletzt, und fragte, ob ich die Marke nicht anheben könne, da sie nun in die Zucht wechselt.
GaloppOnline.de:
In Leipzig werden derzeit Pläne für die Errichtung einer Allwetterbahn geschmiedet. Wie stehen Sie dazu?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Auch in der Hauptstadt hatte man schon einmal Überlegungen dieser Art. Aber erfahrungsgemäß dauert das alles immer seine Zeit. Eigentlich bin ich der Überzeugung, dass die Sandbahnen in Dortmund und Neuss ausreichen.
GaloppOnline.de:
Sehen Sie Rennen auf Sand oder Gras lieber?
Christoph Frhr. v. Gumppenberg:
Schon auf Gras. Denn meistens ist es dann auch wärmer und angenehmer auf der Rennbahn, die Klasse der Pferde ist wohl im Schnitt auch größer. Das soll aber nicht heißen, dass ich kein Freund von “Dirt” bin. Ich finde auch Sandbahnrennen wichtig und nützlich, gerade für den Basissport.