Siemens klare Worte zum „Ärgernis des Jahres“ im GP von Bayern

Harald Siemen, Chefhandicapper des deutschen Turfs, hat in seinem Blog auf der Webseite von Deutscher Galopp mächtig ausgeholt.

Es geht um das Bummelrennen am Sonntag in München, dem letzte Gruppe I-Rennen des Jahres. Das sei das „Ärgernis des Jahres“ gewesen, was keine Kritik am Veranstalter und schon gar nicht Sponsor sein solle, so Siemen.

„Nein, gemeint ist die Art und Weise, wie das Rennen von den Reitern in Angriff genommen und dann auch weitergeführt wurde. Schon Federico Tesio gelangte einst zu der Erkenntnis, dass ein Jockey sein Pferd nicht zwingen kann, schneller zu laufen, als es die natürliche Leistungsfähigkeit des Pferdes erlaubt. „Er kann es jedoch zwingen, langsamer zu laufen“, heißt es in seinem Buch „Rennpferde“. Von dieser Möglichkeit machten die vier Jockeys am Sonntag im Großen Preis von Bayern am Sonntag ausgiebig Gebrauch. Ein derart exaltiertes Taktieren, um nur ja nicht die Führung übernehmen zu müssen, und sei es auf Kosten der eigenen Chancen, war eines solchen Rennens unwürdig. Grupperennen, und hier ganz besonders diejenigen der Gruppe I, sind herausragende Ereignisse, in denen man Erkenntnisse über die Qualität unserer Vollblüter erwartet. Es ist schließlich das Ziel des Rennsystems, die Besten zu ermitteln und das sollte durch eine Bummelei wie in München nicht in Frage gestellt werden. Erst nach 2:47,06 Minuten blieb die Uhr nach 2400 Metern stehen, bei offiziell „weichem, stellenweise gut bis weichem“ Boden. Das ist indiskutabel. Wir betrachten das Rennen daher mit einer gewissen Skepsis, auch wenn wir dem Sieger Junko, der übrigens brillant aussieht, vorläufig mit einer Marke von 98,5 kg (Rating 117) versehen haben. Mal sehen, ob das Bestand hat bis Jahresende. Die dahinter platzierten deutschen Pferde bleiben bei ihren bisherigen Einschätzungen.“

Siemen weiter zu den gewählten Taktiken: „Ich weiß gar nicht, warum es in Deutschland eine – wie ich meine festgestellt zu haben – so häufig anzutreffende generelle Abneigung dagegen gibt, ein Rennen von vorne anzugehen. Heinz Jentzsch ist mit dieser, seiner Lieblingstaktik, 31 Mal Champion geworden. Es sollte sich allgemein herumgesprochen haben, dass bei schnellem Tempo eine Position im hinteren Feld, in einem langsamen Rennen dagegen ein Platz weiter vorne von Vorteil ist. Das ist eine Erkenntnis, die Bestand hat, seit es Pferderennen gibt. Hier soll noch einmal Tesio zu Wort kommen: „Jockeys sind sich häufig nicht klar darüber, dass eine Distanz nicht mit dem Metermaß, sondern mit der Stoppuhr gemessen wird. Erfolgreich ist der Jockey, der die Pace am besten beurteilen kann. Der Besitzer eines guten, perfekt trainierten Pferdes wird stets versuchen, in einem bedeutenden Rennen ein zweites Pferd zu haben, das die Pace macht. Es kommt jedoch oft vor, dass ein Trainer kein zweites Pferd im Rennen hat. In diesem Fall muss der Favorit seine Pace selbst machen. Vorn zu sein hat seine Nachteile, denn das führende Pferd muss als Windbrecher fungieren, die anderen dagegen laufen in seinem Windschatten. Aber zwischen zwei Übeln muss man immer das kleinere wählen; deshalb ist es [in einem solchen Fall] sicherer, mit seinem Favoriten zu führen, vorausgesetzt natürlich, das Pferd kann die Distanz bestens stehen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.“

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