Aus Ahmet Refii Deners Kolumne „Meine Ecke“:
Wenn ich gesagt hätte, dass ich Andrasch interviewen möchte, hätte man mich für verrückt erklärt. „Lies all die Interviews, die es mit ihm gibt, dann weißt Du Bescheid. Was willst Du noch Neues über ihn schreiben?“
Ich habe aber ihn nicht interviewt, sondern wir haben gesprochen, so unter Freunden. Wir haben über Jockeys bzw. Pferdeleute gesprochen, die zu Glanzzeiten Ausnahmesportler waren und im Alter leider nichts mehr zu essen hatten. Klar, ich habe ihm gesagt, dass er mit seinen fast dreitausend Siegen das obere Ende der Fahnenstange darstellt und in besserer Situation wäre. Das hat er auch nicht abgestritten, nur sagte er: „Wenn es läuft und der Erfolg mal da ist, hast Du viele Freunde, die mit guten Ratschlägen kommen. Ich habe dadurch falsche Anlagen getätigt und viel Geld verloren. Wäre der Erfolg nicht nachhaltig, hätte ich auch Schwierigkeiten bekommen, aber es ging ja mit schönen Erfolgen immer weiter.“
Durch seinen Vater, der auch Jockey war, ist er damals zum großen Bruno Schütz gekommen. Sein Vater hatte schon für den Vater von Bruno Schütz geritten. Wie man so schön bei den Pferden zu sagen pflegt, so war das ein sehr guter Auszubildenden-Jahrgang bei Bruno Schütz gewesen. Er, Andre Best und Alessandro Schikora. Es waren viele Klasse A’s unterwegs damals im Auszubildendenhimmel. Heinz Jentzsch hatte z.B. hatte Andreas Boschert und Gregor Axler. Alle sehr gut Jockeys.
Andrasch hat für mich und meine Brüder unsere Stute Panama (rechte Schwester zum Derbyzweiten Pontiac/Gestüt Bona), die wir eigentlich zu Zuchtzwecken gekauft hatten, geritten. Die Stute hatte beim letzten Start Lungenbluten gehabt und sollte eigentlich nicht mehr laufen. Um noch einen ordentlichen Preis zu erzielen, hatte der Vorbesitzer (Gestüt Bona war schon lange nicht mehr im Spiel) sie für das Rennen genannt. Als unser Trainer vergaß zu streichen, dachten wir, wir sollten es nochmal versuchen. Am Ende sprang im Juli 1990 der 49. Sieg für Andrasch heraus.
Als ich danach Andrasch für einen anderen Ritt verpflichten wollte, musste er für seinen eigenen Stall reiten. Da hat er mir Andre (Best) empfohlen. „Ein sehr guter Mann, kann ich nur empfehlen!“ Da war mir klar, der Andrasch ist einer. Genau richtig für einen Herzensmenschen wie mich. „Seid Ihr mit Andre immer noch gut befreundet?“ fragte ich. „Andre, Torsten Mundry und ich, wir gehen durch dick und dünn und sind die besten Freunde!“
Ich sprach ihn auf den jungen Andrasch an, der im Sattel, wie auf Partys immer 100 Prozent gab. „Manche Dinge kann man nicht ungeschehen machen. Es ist nicht gut, wenn man angreifbar wird, aber ich habe die Zeit durch Talent und die Qualität der Ritte, die ich ablieferte, durchgestanden. Meinen Kindern werde ich den Weg weisen, dass sie die Fehler nicht machen.“ sagte er. Übrigens, am Vorabend des Gespräches musste er zum Elternabend. „Ich setze auf Dich, gib alles!“ gab ich ihm noch mit auf dem Weg.
Auf sein gutes Englisch angesprochen, sagte er, dass er eigentlich auf sein Schulenglisch aufgebaut hat. Die vielen Briten im Stall, anfänglich als Jockey Mark Rimmer und dann die Auslandsaufenthalte, hätten ihn im Bezug auf die Sprache weitergebracht. „Wer Ziele hat und weiterkommen möchte in diesem Sport, sollte sich in Englisch ausdrücken können“, sagte er. Meine ich auch, denn schnell sitzt Du mal auf einem Kracher und musst am Ende Rede und Antwort stehen.
Wo ist es für das Stallpersonal am schönsten, fragte ich ihn. Er wollte sich nicht auf ein Land festlegen, sagte aber, dass große Ställe wie von John Gosden oder Aidan O’Brien das Wohlergehen des Personals hochhalten würden und die Mitarbeiter es sich dort gutgehen lassen könnten. Schnell kam er auf seinen heutigen Arbeitgeber, Gestüt Röttgen. Hier ist es ja auch nicht viel anders. „Alles top hier!“, sagte er. Da stellte ich ihm die Frage, ob es einen Trainer Starke geben wird, wenn er nicht mehr reitet, oder eine andere Anstellung, wenn er bei Röttgen aufhört. Die Antwort hatte ich so nicht erwartet: „Gestüt Röttgen ist meine letzte Anstellung. Solange ich mich fit fühle und solange man mich hier möchte, bin ich hier und danach reite ich nicht mehr. Einen Trainer Starke, na ja, wenn ich die Trainingsanlage im Gestüt Röttgen sehe, kommt man schon ins Grübeln, aber Markus ist ein super Mensch und Trainer. Er trainiert und ich reite.“
Ob er sich nach einem Ritt ärgert, oder ob er sich an einen Ritt erinnern kann, wo er sich am meisten geärgert hat, fragte ich. „Du siehst, mit welchem Spaß und Kraft ich immer noch reite. Es kann auch nur ein Ausgleich IV sein, den ich verliere. Da grübelt man manchmal, dass man hätte nach dem Start nach innen bzw. außen gehen sollen, eher angreifen oder das Pferd etwas zurücknehmen und aus der Reserve reiten sollen, nein, wenn ich überlege, so kann das in jeder Niederlage vorkommen.“
Ob er Vorbilder gehabt hat: „Ganz zum Anfang Andy Boschert, dann schnell Steve Cauthen und Frankie Dettori! Den Stil habe ich mir von allen ein bisschen angeeignet. Wobei im Vordergrund steht, dass das Pferd und ich mich wohlfühlen und effektiv sind. Nicht nur um gut auszusehen. Dynamik und eine Leichtigkeit wollte ich entwickeln.“ Wie es mit den Stürzen und größeren Verletzungen ausschaut? „Ich weiß, was starke Schmerzen sind, aber mehr ist mir erspart geblieben.“ Zum Glück!
Oft wird ja gefragt, welches das beste Pferd ist, das er jemals geritten hat. So würde er mit Danedream anfangen. Was er auch nannte, weil er dachte, ich stelle die Frage in diese Richtung. Die Frage war am Ende dann eine leicht andere. „Welches Pferd hätte es viel weiterbringen können, wenn er/sie keine gesundheitlichen Probleme gehabt hätte?“ Sofort nannte er Samum. „Der hat so viel Talent gehabt, dass er ein Überpferd geworden wäre, wenn gesundheitlich alles gepasst hätte.“
Ach so, zu der Frage, ob es einen Trainer Starke geben würde, wenn er aufhört, hatte er noch gesagt, dass ihn die Leute so in ihren Köpfen behalten sollen, wie er jetzt ist. Altersmäßig bin ich Dir enteilt und auf Vorsprung weg, lieber Andrasch, aber Dich wird man immer in guter Erinnerung behalten.