Erhan Yavuz

GaloppOnline.de: Ihr Name taucht in letzter Zeit immer mal wieder in deutschen Rennprogrammen auf? Seit wann genau sind Sie in Deutschland tätig?

Erhan Yavuz: Ich reite erst seit dieser Saison in Deutschland bzw. in Frankreich. Ganz zu Anfang habe ich ein halbes Jahr am Rennstall No 7 von Nuri Özdogan in Iffezheim gearbeitet. Dort standen während dieser Zeit leider sehr wenige startfertige Pferde zur Verfügung, so dass ich nur drei Rennen bestreiten konnte. Das war mir, wie Sie sich vorstellen können, natürlich definitiv zu wenig. Als dann das Angebot von Frank Fuhrmann kam, brauchte ich nicht lange zu überlegen und habe sofort zugesagt. Jetzt bin ich so richtig angekommen und fühle mich dort total wohl. Meinen ersten Ritt für meinen neuen Boss habe ich im August diesen Jahres absolviert. Mein erster Ritt überhaupt nach meinem Wechsel aus der Türkei kam im Juni in Frankreich für den Rennstall No 7 zustande.  

GaloppOnline.de: Wo sind Sie vor Ihrem Deutschland-Engagement geritten?

Erhan Yavuz: Zuvor bin ich größtenteils in der Türkei geritten. Im Jahr 2009 bin ich für zehn Wochen nach Irland an eine Jockeyschule gegangen, um dort meinen Reitstil zu verändern, bzw. dem europäischen Stil anzupassen. Diese Reise hat unmittelbar Früchte getragen. Ich war danach acht Monate sehr erfolgreich in der Türkei.  Daraufhin bekam ich ein Angebot aus Dubai. Dort bin ich drei Monate geritten und konnte sogar ein Rennen gewinnen.

GaloppOnline.de:  Wie genau kam es dann zum Schritt nach Deutschland? Hatten Sie bereits hierhin bestehende Kontakte?

Erhan Yavuz: Meine Frau, mit der ich seit 2005 verheiratet bin, kommt aus Deutschland und hat in Bielefeld gelebt, bevor sie mit unseren zwei Jungs, die heute vier und acht Jahre alt sind, zu mir in die Türkei gezogen ist. Wir haben uns nun dafür entschlossen, dass unsere Kinder in Deutschland zur Schule gehen und aufwachsen sollen. Auch mein Schwager Fatih, der heute freundlicherweise übersetzt, wohnt in Bielefeld und hilft mir, wo er kann. Ein weiterer Grund ist meine Motivation: Ich denke, dass ich meine Mission in der Türkei erfüllt habe. Ich möchte mir jetzt in Deutschland und Europa einen Namen machen. Und dann gab es da noch einen Vorfall, der mich zutiefst in meinem Stolz gekränkt hat und mir meine Entscheidung sehr erleichtert hat.

GaloppOnline.de: Von welchem Vorfall sprechen Sie?

Erhan Yavuz: Ich habe während eines Rennens in Führung liegend mein Pferd nicht ausgeritten, da es aus der Nase blutete und ich Angst um dessen sowie meine Gesundheit hatte. Daraufhin wurde ich von der türkischen Rennleitung für vierzehn Tage gesperrt, weil ich angeblich meine Gewinnaussichten nicht wahrgenommen hatte. Diese Entscheidung wurde nach ausgiebiger Prüfung von der nächsten Instanz zwar aufgehoben, mein verletzter Stolz ist allerdings geblieben.

GaloppOnline.de: Wie genau muss man sich den Rennsport in der Türkei eigentlich vorstellen?

Erhan Yavuz: Ähnlich wie z. B. in Frankreich oder England werden täglich Galopprennen ausgetragen. Zwölf Rennbahnen veranstalten im Wechsel, manchmal auch zwei an einem Tag. Zwei- bis dreitausend Besucher kommen durchschnittlich pro Renntag. Ganz anders als hier ist der Zusammenhalt untereinander. In der Türkei arbeitet jeder für sich: Trainer, Jockey, Besitzer, alle sorgen für sich selbst. Es gibt dort übrigens nicht einen einzigen Jockey, der an einem Stall fest angestellt ist.

GaloppOnline.de: Trotzdem waren Sie dort sehr erfolgreich und konnten viele Rennen gewinnen. An welche Erfolge erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

Erhan Yavuz: Zu gewinnen macht natürlich immer Spaß. Aber wenn Sie mich so fragen, erinnere ich mich sehr gerne an meine beiden Siege im Präsidenten-Cup, die wohl auch sportlich gesehen den Höhepunkt darstellen sollten. Der Präsidenten-Cup hat Gruppe I-Status und ist eines der wichtigsten Rennen in der Türkei.

GaloppOnline.de: Dann sind Sie ja aus der Vergangenheit einen gewissen Standard gewöhnt. Haben Sie sich entsprechende Ziele auch für Ihre Zukunft hier in Deutschland gesetzt?

Erhan Yavuz: Als erstes Ziel möchte ich erfolgreich Rennen reiten. Langfristig, d. h. innerhalb der nächsten fünf Jahre, habe ich mir als Ziel gesetzt, Champion-Jockey zu werden. Im Moment will ich aber an jedem Tag und bei jedem Ritt mein Bestes für meinen Chef geben. Er war der Erste, der mir hier sein Vertrauen geschenkt hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar und möchte viel davon zurückgeben.

GaloppOnline.de: Nur mit den Pferden Ihres Chefs werden Sie auf Dauer aber kein Champion. Welche Pläne hegen Sie, um ihr langfristiges Ziel in die Tat umzusetzen?

Erhan Yavuz: Das ist mir bewusst. Feste Pläne gibt es aber derzeit nicht. Ich möchte auch in keinem Fall falsch verstanden werden. Im Moment gebe ich alles für meinen Boss und bin ihm unendlich dankbar für die Chance, die er mir gibt. Wir haben ein tolles Verhältnis. Ich bekomme alle Freiheiten, die man sich nur wünschen kann. Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Ich bin sehr glücklich und zufrieden mit meiner aktuellen Situation.

GaloppOnline.de: In Anbetracht Ihrer Ziele wird es sich aber auf kurz oder lang nicht vermeiden lassen, auch für andere Trainer in den Sattel zu steigen?

Erhan Yavuz: Um mein Ziel zu erreichen, werde ich auch Pferde von anderen Besitzern und Trainern reiten müssen und erhoffe mir da auf Dauer entsprechende Unterstützung. Was die Zukunft bringt, muss man abwarten. Ich versuche mich durch Leistung zu empfehlen.

GaloppOnline.de: Wie sieht ihr Arbeitsalltag im Moment aus?

Erhan Yavuz: In der Regel bin ich fünf- bis sechs Mal die Woche von 7 bis 14 Uhr im Stall und reite in der Arbeit. Auch an den individuellen Trainingsplänen der Pferde darf ich mitarbeiten.

GaloppOnline.de: Welches Gewicht können Sie eigentlich problemlos reiten?

Erhan Yavuz: Im Winter 54 Kilogramm. Im Sommer 53.

GaloppOnline.de: Was machen Sie so in Ihrer Freizeit?

Erhan Yavuz: Ich habe ein recht außergewöhnliches Hobby. Wenn es die Zeit zulässt, schnappe ich mir meinen Bogen und übe Bogenschießen nach traditioneller osmanischer Kultur aus. Ansonsten gehe ich oft spazieren. Ich bin sehr gerne in der freien Natur.

 

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