Christophe-Patrice Lemaire

GaloppOnline.de: Wann waren Sie das erste Mal in Japan?

Christophe-Patrice Lemaire: Das war im Winter 2003. Am Ende eines sehr guten Jahres, ich hatte mit Vespone meine beiden ersten Gruppe I-Rennen gewonnen und war unter die Top Ten der französischen Jockey-Statistik gekommen. Diese Tatsachen ermöglichten mir, in Japan den Winter über zu reiten. Die japanischen Auswahl-Kriterien für eine Jockey-Lizenz sind sehr streng, sodass man schon gute Resultate vorweisen muss, um ausgewählt zu werden.

GaloppOnline.de: Wieso hatten Sie sich speziell für Japan entschieden?

Christophe-Patrice Lemaire: Der Standard im Galopprennsport ist in Japan sehr hoch. Zudem hatte mein Agent Patrick Barbe sehr engen Kontakt zur Yoshida Familie. Außerdem spielte natürlich eine Rolle, dass das Preisgeld in Japan ebenfalls extrem hoch ist. Ich dachte, es würde großartig sein, mehr Erfahrung zu sammeln und über Patricks Kontakte müsste es leichter sein, interessante Ritte zu bekommen. Der Ausflug verlief extrem gut, ich genoss damals die Zeit in Japan sehr.

GaloppOnline.de: Was ist der Unterschied im Rennsport und im Leben eines Jockeys zwischen Europa und Japan?

Christophe-Patrice Lemaire:  Der Unterschied ist schon enorm groß. Der größte ist, dass die Jockeys, die am Samstag und Sonntag an Rennen, die unter dem Schirm der JRA veranstaltet werden, ab Freitagabend auf dem jeweiligen Rennplatz in Quarantäne müssen. Die Veranstaltungen am Wochenende umfassen zwölf Rennen pro Renntag, das ist sehr intensiv. Wenn man dann unter der Woche nicht reitet, dann kann das ganz schön anstrengend werden.

GaloppOnline.de: Wie groß ist der Druck in Japan?

Christophe-Patrice Lemaire: Ich glaube, in Japan haben die Jockeys weniger Druck, auch wenn die großen Rennen sehr wichtig sind. Klar herrscht viel Wettbewerb zwischen uns. In Frankreich gibt es jeden Tag Rennen im Gegensatz zu Japan. Und an jedem Tag stellt sich dann natürlich für uns die Frage, passiert irgendetwas. Manchmal ist es schwierig, mit dieser Tatsache umzugehen sowie mit der vielen Reiserei.

GaloppOnline.de: Und wieso ist der Druck in Japan geringer?

Christophe-Patrice Lemaire: Ich denke, dass in Japan der Druck geringer ist, hat auch damit zu tun, dass selbst die Trainer und Besitzer weniger Stress haben. Das wiederum kommt dadurch, dass die JRA viele finanzielle Lasten übernimmt. Die japanischen Besitzer haben die Pferde wirklich nur zu ihrem Vergnügen. Das ist natürlich eine ganz andere Haltung als für diejenigen Besitzer, die mit den Pferden Geld verdienen müssen. Die Japaner gehen mit und aus Spaß zum Pferderennen, was überall spürbar ist.

GaloppOnline.de: Wie ist das Verhältnis zu den Trainern?

Christophe-Patrice Lemaire: Vor dem Rennen gibt es ganz selten eine Order. Sie haben großes Vertrauen zu den Jockeys und gehen davon aus, dass wir im Rennen die notwendigen, richtigen Entscheidungen treffen.

GaloppOnline.de: Und wie sieht’s mit dem Image der Jockeys in der japanischen Öffentlichkeit aus?

Christophe-Patrice Lemaire: Die Jockeys sind hier extrem bekannt. Es ist wirklich wahr, dass sie hier einen Kultstatus besitzen, sie sind Stars. Auch wenn in Europa Reiter wie Frankie Dettori oder Ryan Moore von den Menschen wahrgenommen werden, in Japan sind die Jockeys echte Athleten und werden ein wenig wie Berühmtheiten betrachtet. Es ist sehr schmeichelhaft, von den Fans so erkannt zu werden, sogar von Taxifahrern, aber auf der anderen Seite ist das nicht immer einfach.

GaloppOnline.de: Wieso hatten Sie sich dieses Jahr dafür entschieden, mit einer Vollzeit-Lizenz in Japan zu arbeiten?

Christophe-Patrice Lemaire: Der Zeitpunkt dafür erschien mir perfekt. Ich hatte keinerlei Kontrakte für irgendjemanden in Frankreich und dachte, dass ich in meinem Alter, wenn ich was völlig Neues starten möchte, es dann jetzt tun müsste. Die Gelegenheit ergab sich von alleine. Ich dachte, es würde eine phantastische Möglichkeit sein. Es kamen verschiedene Faktoren zum richtigen Zeitpunkt zusammen. Nun lebe ich mit meiner Familie permanent in Kyoto. Wenn mir das Angebot vor vier, fünf Jahren offeriert worden wäre, ich bin mir nicht sicher nicht, ob ich es angenommen hätte.

GaloppOnline.de: Was mussten Sie tun, um die Vollzeit-Lizenz zu erhalten?

Christophe-Patrice Lemaire: Ich spreche nicht fließend japanisch, aber ich musste mich vor dem Ausschuss der JRA auf einem guten Niveau ausdrücken können. Der zweite Teil des Examens bestand darin, dass ich bei einer mündlichen Befragung von sechs Rennleitungs-Mitgliedern zu verschiedenen Themen in Japanisch antworten musste. So musste ich viele Vokabeln lernen. Es war wirklich harte Arbeit und alles andere als leicht.

GaloppOnline.de: Für wen reiten Sie am meisten?

Christophe-Patrice Lemaire: Es gibt in Japan keine Stalljockeys wie in Europa oder sonst wo auf der Welt. Aber als Resultat meiner Vergangenheit in Japan reite ich sehr viel für die Yoshida Familie, speziell für Teruya Yoshida. Das ist ein schon großer Vorteil, so viele der Yoshida-Pferde zu reiten, denn sie haben die höchste Qualität. Da bin ich schon in einer sehr glücklichen und komfortablen  Lage.

GaloppOnline.de: Während Ihrer Zeit in Japan konnten Sie Andrasch Starke kennenlernen, was ist Ihr Urteil über ihn?

Christophe-Patrice Lemaire: Klar, dass einige Jockeys den Winter über hierher kommen. Ich kenne Andrasch, seitdem ich begann, in den internationalen Rennen zu reiten. Ich komme sehr gut mit ihm aus, er ist ein exzellenter Jockey. Was mich an ihm besonders beeindruckt, ist seine Professionalität und sein Streben immer der Beste zu sein, besonders auch in physischer Hinsicht. Obwohl er manchmal Gewichtsprobleme hat, hält er sich immer in Top-Form und ist sehr eisern. Ich glaube nicht, dass ich das könnte, was er tut.

GaloppOnline.de: Sie wurden für einige japanische Top-Class-Starter auf der ganzen Welt verpflichtet, was sagen Sie dazu?

Christophe-Patrice Lemaire: Ich hatte viel Glück, Rennen wie das Arima Kinen und das Dubai Sheema Classic mit Hearts Cry zu gewinnen, im Japan Cup mit Vodka zu triumphieren oder im Japan Cup Dirt mit Belshazzar erfolgreich zu sein, sowie in weiteren Gruppe I-Rennen zu siegen, das ist schon großartig. Das war wirklich eine lohnende Tatsache. Ich bin sehr glücklich und dankbar dafür, dass ich solch gute Pferde reiten durfte. In dieser Saison habe ich neun Stakes-Prüfungen gewonnen, den Gruppe I-Erfolg mit Major Emblem eingeschlossen.

GaloppOnline.de: Muss man japanische Pferde anders reiten?

Christophe-Patrice Lemaire: Die JRA versucht den Rennsport-Fans und Wettern so viel Transparenz wie möglich zu liefern. Von allen Galopps werden die Zeiten gemessen und mit den Videoaufnahmen veröffentlicht. Die Pferde müssen am Renntag in Top-Form sein, sodass sie hart trainiert werden und robust sein müssen. Die Rennen werden mit einer guten und gleichmäßigen Pace gelaufen. Und es ist das beste Pferd, das gewinnt. Wenn ein Hengst Deckhengst wird, dann weiß jeder, dass er das wird, weil er so ein exzellentes Rennpferd war.

GaloppOnline.de: Und wie ist das wiederum im Vergleich zu Frankreich?

Christophe-Patrice Lemaire: Wenn ich das mit Frankreich vergleiche, dann ist es in meiner Heimat vielleicht einfacher, ein Rennen zu gewinnen als in Japan. Den Grund dafür, weswegen japanische Rennpferde aktuell die besten in der Welt sind, sehe ich darin, weil sie auf der Rennbahn im wirklich harten Wettbewerb getestet worden sind. Die Besitzer und Züchter streben einfach nur nach dem Besten. Mit viel finanziellem Investment versuchen sie den Erfolg möglich zu machen und  kaufen auf der ganzen Welt das beste Zuchtmaterial ein, um ihre Ziele zu erreichen.

GaloppOnline.de: Die Japaner haben viele Top-Rennen auf der Welt gewonnen. Haben sie ein spezielles Ziel?

Christophe-Patrice Lemaire: Ich denke, Ziel Nummer 1 aller japanischen Besitzer und Trainer ist, einmal den Qatar Prix de l’Arc de Triomphe zu gewinnen. Es muss für dich jedoch wirklich alles an diesem einen Tag zusammenkommen, um im Prix d‘ Arc zu triumphieren. Sie haben das Rennen immer noch nicht gewonnen, obwohl sie die besten Pferde der Welt hatten und haben. Das zeigt, wie schwer es ist, im Arc die Konkurrenz hinter sich zu lassen. Zweifelsohne werden die Japaner es eines Tages schaffen und hoffentlich sitze ich dann auf dem Sieger.

GaloppOnline.de: Könnten Sie sich vorstellen, für den Rest Ihrer Karriere in Japan zu bleiben?

Christophe-Patrice Lemaire: Ja, ich hoffe wirklich, dass ich hier bleiben kann. Es ist nicht einfach,10.000 Kilometer weit wegzugehen. Doch ich bin mit meiner Familie hierher gezogen, so ist es also dauerhaft. Ich hoffe, dass ich mich hier in meiner neuen Heimat nachhaltig etablieren kann. Mit 36 Jahren sehe ich nicht, dass ich woanders hinziehe oder nach Frankreich zurückkehre. Alles gibt’s hier in Japan für mich. Im Beruf und im Privatleben.

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