Wenn in der Tagesschau über ein Galopprenpferd berichtet wird, dann muss etwas ganz Außergewöhnliches passiert sein. Und mit „außergewöhnlich“ ist das, was am Samstag abend gegen 23 Uhr Mitteleuropäischer Zeit auf der Rennbahn Belmont Park in New York passierte, wohl nicht einmal ausreichend beschrieben.
Vier Wochen, nachdem mit dem vom Gestüt Ammerland gezogenen Hurricane Run ein Pferd mit deutscher Abstammung den Prix de l’Arc de Triomphe gewann, sorgte Georg Baron von Ullmanns Crack Shirocco im Breeders’ Cup Turf für den größten Erfolg eines Galoppers in deutschen Farben seit dem Japan-Cup Sieg von Lando im Jahre 1995.
Der von Andre Fabre trainierte Derbysieger des Jahres 2004 gewann als 98:10-Chance das mit zwei Millionen US-Dollar dotierte, wichtigste Grasbahnrennen des Breeders’ Cup-Tages. Und wie er gewann! Leicht mit eindreiviertel Längen Vorsprung setzte er sich unter Weltklassejockey Christophe Soumillon gegen den O’Brien-Schützling Ace, gegen den Aga Khan-Star Azamour und den letztjährigen Arc-Sieger Bago durch.
Die amerikanische Hoffnung, der Seriensieger Shakespeare, hatte unter Jerry Bailey schon Ende der Gegenseite genug, wurde schließlich nur Zwölfter und damit Vorletzter. Er konnte nur noch den Pacemaker Shake The Bank hinter sich lassen. Auch der Vorjahressieger Better Talk Now hatte keine besseren Chancen, wurde nur Siebter. Shake The Bank hatte für eine stramme Pace gesorgt, besaß unterwegs deutlichen Vorsprung auf das von Shirocco angeführte Hauptfeld. Im Schlussbogen und damit eigentlich reichlich früh, gelangte Shirocco dann an die Spitze.
Doch wer gedacht hatte, der Monsun-Sohn würde nun von Azamour, Ace und Bago überlaufen, sah sich getäuscht. Shirocco ging an der Spitze immer weiter, kam im Endeffekt nie ernsthaft in Gefahr. Christophe Soumillon zelebrierte in seiner typischen Art seinen ersten Breeders’ Cup-Sieg bereits, als er die Ziellinie passierte. Es war der einzige europäische Sieg an einem Abend, an dem die Pferde vom „alten Kontinent“ einige Schlappen hinnehmen mussten.
Doch dafür entschädigte der „Turf“, der schließlich die vier europäischen Vertreter auf den Plätzen eins bis vier sah.
„Er ist ein typisches deutsch gezogenes Pferd. Ein Steher mit Kraft und einem großen Herzen“, diktierte Andre Fabre, dem mit der Vorbereitung von Shirocco ein weiteres Glanzstück in seiner so erfolgreichen Trainerkarriere gelang, in die Notizblöcke der Journalisten. „Shirocco kommt mit jedem Untergrund zurecht, aber der weiche Boden war schon sehr nach seinem Geschmack. Er wird im nächsten Jahr im Training bleiben und wir werden mit ihm die großen internationalen Rennen in Europa und Amerika anvisieren. Es ist auch gut möglich, dass wir im nächsten Jahr wieder zum Breeders’ Cup Turf reisen werden“, so Fabre weiter.
Begeistert war natürlich auch Christophe Soumillon über den Ullmann-Crack. „Das ist ein Traum. Hier in New York zu gewinnen ist einfach gigantisch. Andre sagte mir, dass ich nicht zu schnell mit ihm gehen soll und ihn in Ruhe seinen Rhythmus finden lassen sollte. Er ist bereits im Arc sehr gut gelaufen und hat sich noch einmal deutlich verbessert. Er kam sehr stark nach New York und hat sich einfach wohl gefühlt“, erläuterte der Privatjockey des Aga Khan.
Shirocco ist mittlerweile nicht mehr der einzige Galopper, den Georg von Ullmann von Andre Fabre vorbereiten lässt. Denn außer Shirocco stehen zwei Zweijährige in seiner Obhut und werden darüber hinaus zwei Jährlinge nach Chantilly gehen.
„Auch eine rechte Schwester von Shirocco und Salden Licht, den Bruder von Saldentigerin, bekommt Herr Fabre“, berichtet Gestütsleiter Gebhard Apelt. „Shirocco war auch sehr gut auf dem Posten. Schon im Führring wirkte er sehr souverän, war ganz ruhig. Es war schon ein ganz besonderes Erlebnis. Wir wussten, dass man solch einen Start riskieren könnte. Herr Fabre hatte gesagt, er sei enttäuscht, wenn der Hengst nicht ganz vorne mit dabei wäre. Aber vom Gewinnen zu sprechen, wäre vermessen, da man die amerikanischen Pferde nicht so gut kennt.“
Für dieses Jahr ist für den Ullmann-Crack die Saison beendet, Hauptziel 2006 wird dann wohl der Prix de l’Arc de Triomphe sein.
Es bleibt dabei, das „Classic“, das wichtigste Rennen des Breeders’ Cups, ist eine Domäne der Amerikaner. Das bekamen in dem mit 4 Millionen US-Dollar dotierten 2000 Meter-Rennen auf Sand auch die europäischen Hoffnungen Starcraft (war für 800.000 US Dollar nachgennant worden!!!), Oratorio, Jack Sullivan und A Bit O’Gold zu tun, die eigentlich zu keinem Zeitpunkt des Rennens eine wirkliche Chance auf einen Platz ganz vorne besaßen.
Ganz anders der 34:10-Favorit Saint Liam, der für den zweiten – natürlich wesentlich wichtigeren Sieg – an diesem Abend nach Silver Train im Sprint für Trainer Richard Dutrow sorgte, als er mit einer Länge Vorsprung vor Flower Alley und Perfect Drift gewann. Im Sattel saß Jerry Bailey, der sich damit zum fünften und vielleicht auch letzten Mal (er denkt über ein Karriereende nach) in die Siegerliste dieses Monstre-Rennens eintragen konnte. Aus Box 13 hatte Bailey mit seinem Hengst, der nun ins Gestüt wechselt, sukzessive die Position verbessert.
In der Geraden wurde er immer druckvoller, 200 Meter vor dem Ziel übernahm er die Spitze, die er dann auch nicht mehr abzugeben brauchte. Starcraft brachte es unter Pat Valenzuela als Siebter von den Europäern am weitesten, doch vermochte er sich in der Geraden nicht entscheidend zu steigern. „Unterwegs hatte ich ein gutes Gefühl, aber im Einlauf konnte er nicht beschleunigen“, so Valenzuela nach dem Rennen.
„An der Startnummer kann es nicht gelegen haben, denn der Sieger startete ganz außen. Es war dann wohl doch die Distanz zu weit, ergänzte Trainer Luca Cumani. Für Oratorio blieb nur Platz elf, er ließ nur noch Jack Sullivan und A Bit O’Gold hinter sich.
Trainer Richard Dutrow (46) muss sich vorgekommen sein wie im Märchen.
Beide Starter, die er an diesem Abend aufgeboten hatte, gewannen ihre Rennen. Ein toller Abschluss für ein Jahr, in dem er wegen zweier Dopingfälle 60 Tage gesperrt war. „Wir haben das beste Pferd weit und breit. Er hat seine Saison im Februar begonnen und war bei jedem Tanz dabei“, so Dutrow.










