Erster Juli-Sonntag 2005 irgendwo zwischen Heidelberg und Heilbronn. Gegen 17.20 Uhr parkt ein Pferdetransporter am Straßenrand, im Führerhaus drückt ein Mann sein Handy ans Ohr, verfolgt völlig gebannt ein Ereignis. Kurz darauf ist seinen Gesten nach zu folgen, dass es sich um etwas Erfreuliches handelt. Für Ralf Ernst, Besitzer des Gestüts Eulenberger Hof, auf dem solche Klassepferde wie Indikator, Silvester Lady, Scapolo, Wild Woman oder Serrano aufwuchsen, sogar ein höchst erfreuliches. Seit Sonntag gegen 17.30 Uhr weiß er, dass er im Mitbesitz der Mutter eines Derby-Siegers ist.
Nicaron war in Hamburg zum Jahrgangsbesten aufgestiegen, hatte Night Tango und das verbündete Schlenderhaner Pärchen hinter sich gelassen. Horst Steinmetz hatte seinen ersten Derby-Sieger gesattelt, wie Davy Bonilla seinen ersten geritten. Unweigerlich schaut man natürlich auch nach, wer der „züchterische Macher“ des neuen Derby-Siegers ist. Der Eintrag lautet in diesem Falle auf Wilhelm Fasching aus Angelbachtal, einem Ort in der Nähe des Eulenberger Hofs.
Ende Oktober 2003. Auf der BBAG-Herbst-Auktion in Iffezheim kommt ein größeres Lot aus der Zucht von Wilhelm Fasching zur Versteigerung. Pferde in Training, Mutterstuten, Nachwuchs. Angeboten von Ruth Fasching. Wilhelm Fasching war in wirtschaftliche Notlage geraten.
„Ich wusste bis kurz vor der Auktion überhaupt nicht, wie wirtschaftlich bedrohlich schlecht es dem Unternehmen von Wilhelm Fasching ging. Er wohnt ja nicht weit von unserem Eulenberger Hof entfernt, wir kennen uns schon rund zwanzig Jahre“, erinnert sich Ralf Ernst. Auch er hatte Pferde in Baden-Baden im Katalog zum Verkauf angeboten, war aber auch immer an Neuankäufen interessiert.
„Als ich dann den Katalog durchblätterte stand für mich fest, dass ich meinem Freund Wilhelm unter die Arme greifen und ein Produkt ersteigern werde, es war mit irgendwie ein Bedürfnis.“ Gesagt, getan.
Doch das erste Angebot, dass Ralf Ernst ersteigern wollte, übertraf sein gesetztes finanzielles Limit. Es war Nicara, eine Tochter der Nicol’s Girl, die am letzten Sonntag durch ihren im Derby siegreichen Nicaron mit einem Schlag zur Berühmtheit langte. Bei 24.000 Euro fiel der Hammer, Klaus Hofmann bekam den Zuschlag. „Natürlich gab ich die Hoffnung nicht auf, ein Pferd aus dem Angebot meines Freundes Wilhelm zu ersteigern“, weiß sich Ralf Ernst natürlich genau zu erinnern.
Doch es war schon „kurz vor Zwölf“ im Katalog, als sich das Vorhaben doch noch realisieren ließ. Als fünfletztes von insgesamt über 300 Angeboten – die Auktion war über zwei Tage verteilt – betrat Nicol’s Girl den Auktionsring. Die Stute stammte von dem recht unbedeutenden Stallion Dunbeath, war tragend von Alkalde. Aber sie hatte schon gute Produkte gebracht. Auf der Rennbahn war Nicol’s Girl selbst zweimal erfolgreich gewesen, hatte in den Farben des Stalles Ulan von Wilhelm Fasching das Goldene Hufeisen von Baden-Baden gewonnen.
Als Trainer zeichnete Reinhard Ording. Distanzen um die Meile waren ihr Ding, weitere Versuche in besseren Handicaps und in einem Listenrennen schlugen fehl.
Nicol’s Girl kehrte in die Zucht von Wilhelm Fasching zurück, der von Scenic stammende Ninsun wurde ihr erstes Produkt und dies war auch gleich ein Sieger. Es folgte dann nach Alkalde bereits ein erster Volltreffer mit Nicolaos, der das Münchner Auktionsrennen gewann und auf ein GAG von 89 Kilo kam. Auch die ein Jahr später geborene Nicara, die von Nebos stammt, kam mit 89,5 Kilo auf ein hohes GA. Sie verdiente in den Farben ihres Züchters 82.471 Euro, gewann mit Nereide-Rennen und Großer swb Stutenpreis von Bremen zwei Listenrennen und scheiterte im Preis der Deutschen Einheit in Hoppegarten auf Gruppe-III-Ebene lediglich an Limerick Boy.
Diese Nachkommen der Nicol’s Girl wurden von Horst Steinmetz trainiert. Eine sehr gute Stute war auch die wie Nicolaos von Alkalde stammende Nicolaia, die ebenfalls auf der Herbst-Auktion für 8.000 Euro an den Stall Nizza verkauft wurde. Dann fohlte Nicol’s Girl 2002 nach Acatenango den Volltreffer Nicaron, der ja bekanntlich als Jährling 28.000 Euro kostete, Horst Steinmetz hatte den Zuschlag bekommen. Doch der Auftraggeber zahlte nicht, Jürgen Imm half dem Neusser Trainer und kaufte somit den späteren Derby-Sieger. 2003 ging ein Stutfohlen nach Acambaro ein.
Nun drehte also an diesem Oktobertag 2003 Nicol’s Ring im Iffezheimer Auktionsrund ihre Runden. „Sie sah toll aus und war tragend von Alkalde, mit dem sie ja bereits mit Nicolaos und auch Nicolaia zwei feine Produkte geliefert hatte. Ich bekam bei 12.500 Euro den Zuschlag und schon wenige Minuten später war der Wilhelm bei mir und freute sich sehr, dass ich ein Pferd von ihm gekauft hatte. Er hat die Stute natürlich auch auf dem Eulenberger Hof später besucht“, erinnert sich Ralf Ernst, der noch am selben Tag seinen Partner Alexander Pereira über den Kauf informierte und der schließlich als Mitbesitzer einstieg.
So geht das 2004 geborene Alkalde-Stutfohlen, das auf den Namen Nonoalka getauft wurde, auf das Zuchtkonto von Ralf Ernst und Alexander Pereira. Es ist seit Sonntag ebenso die Halbschwester eines Derby-Siegers wie der in diesem Jahr geborene Spross, der von dem internationalen Spitzenhengst Singspiel stammt, ein Halbbruder von Nicaron ist. Der junge Bursche fohlte bereits in der Normandie ab, dort wo man seine Mutter Nicol’s Girl hin ausgeführt hat.
„Es ist ein kleines Privatgestüt in der Nähe von Deauville. Dort habe ich drei Mutterstuten mit deutschen und französischen Partnern stehen. In diesem Jahr haben wir Nicol’s Girl nicht mehr decken lassen, weil sie recht spät abfohlte“, gibt Ralf Ernst zu verstehen. Fest scheint allerdings schon zu stehen, dass Nicarons Mutter nach Singspiel im kommenden Jahr erneut einen Spitzenhengst in Frankreich oder England aufsuchen wird.
Die jetzt im Jährlingsalter befindliche Nonoalka ist seit dem großen Triumph ihres Bruders Nicaron im Blut natürlich in eine ganz andere Liga aufgestiegen. Ralf Ernst: „Sicherlich ist seit dem ersten Juli-Sonntag alles anders. Wir sind Besitzer der Mutter eines Derby-Siegers, haben Nachwuchs davon. Doch in denke, dass wie geplant Nonoalka in unseren Farben ihre Rennlaufbahn bestreiten wird“, fügt aber dann doch an, dass man nach dem diesjährigen Derby-Resultat die eine oder andere Entscheidung womöglich revidiert könne.
Und lässt nicht erwähnt, dass er am Sonntag auch gleich an seinen Freund Wilhelm dachte. „Der wird noch nicht einmal für sein züchterisches Lebenswerk belohnt. Nicarons Züchterprämie fließt nämlich in den Zuchtfonds.“










