„Man darf nicht warten, bis das Boot untergeht“

Samstags verabschieden sich Normalsterbliche ins Wochenende. Wenn sie schon im reifen Alter von 69 Jahren sind sowieso. Doch Manfred Breithor ist anders als der durchschnittliche Bürger hierzulande. Am 17. Januar liefen seine Pferde an drei Orten, in zwei Disziplinen. Und waren dabei ausgesprochen erfolgreich. Bei den Galoppern in Dortmund holte sich der unverwüstliche Kalaheo einen Ausgleich III, bei den Trabern war man im letzten Rennen in Elmshorn eins-zwei, schaffte zudem einen Ehrenrang in Dinslaken.

„Das war ein schöner Tag“, freut sich Manfred Breithor. Dabei sind Erfolgserlebnisse für ihn längst keine Seltenheit mehr.

Der ausgewiesene Fachmann beider Fakultäten belegte als Trainer 2003 im Traber-Lager Rang drei der Statistik. 246 Rennen hatten die unter seinem Namen 2258mal an den Start geschickten Pferde im vergangegen Jahr gewonnen, waren sage und schreibe 1180mal platziert. 379.695 Euro wanderten auf das Konto der jeweiligen Besitzer.

Dabei ist das Geld-Niveau bei der Sulky-Fraktion angesichts extrem sinkender Rennpreise bescheiden geworden. Heinz Wewering, laut Breithor der „weltbeste Fahrer“, hat bei 500 Siegen und 2264 Plätzen 1.040.113 Euro verdient, Heiner Christiansen, der sich zuletzt noch an Manfred Breithor vorbeischob, brachte es bei 248 Treffern auf 365.322 Euro. Sicher nicht zuviel für ein Vize-Championat.

Drei Galopper bereitet Breithor derzeit vor, neben Kalaheo noch den sechsjährigen Red Diamond sowie El Orago (4). „Wir haben Kalaheo etwas umgestellt, das scheint ihm gut zu bekommen“, schildert der Coach. „Er wird im gewohnten Rahmen auf der Sandbahn weitermachen.“

Auch die Ursprünge Manfred Breithors liegen bei der natürlichen Pferde-Gangart. „Ich habe den Jockey-Beruf bei dem Neusser Trainer Peter Bützer gelernt. Bis 1954 habe ich dann noch als Amateur geritten, bin dann zu den Trabern gewechselt. Meine Eltern hatten immer Galopper. Ich habe hauptsächlich in Hindernisrennen geritten. In Mülheim konnte ich ein großes Hürdenrennen mit Lichtung gewinnen, in unseren Farben. Gewohnt haben wir in Rheydt bei Mönchengladbach, neben dem Gestüt Zoppenbroich.

Zwölf oder 13 Siege müsste ich im Sattel erzielt haben. Wir hatten auch ein paar Galopper. Ich habe später eine Besitzertrainer-Lizenz gemacht. Mittwochs, wenn bei den Trabern rennfrei war, habe ich immer die Galopprennen besucht. Der Gedanke war immer da, in diesem Sport etwas zu machen. Jetzt betreibe ich das als Hobby.“

Peppito war 2002 die „Hausnummer“, konnte vier Rennen für Manfred Breithor gewinnen. Doch dann kam das bittere Ende: „Er hat sich ein Bein gebrochen“, erzählt uns Breithor. „Dann kam der nächste Schlag, als Constancy dasselbe Schicksal erlitt. Schließlich haben wir Kalaheo gekauft.“

Doch das Hauptgeschäft sind bei ihm ganz klar die Traber. Vor allem angesichts dieser vorzüglichen Saison. Breithor: „Bis zum letzten Renntag waren wir Zweiter hinter Heinz Wewering, ehe Heiner Christiansen uns noch überholte. Das war natürlich schade.“

Offiziell zeichnet er für rund 100 Pferde verantwortlich, die hauptsächlich in Hamburg stehen, arbeitet eng zusammen mit Top-Fahrern wie Edelbert Ohmer und Freddy König.

Etwas übersichtlicher ist der Stall bei Gladbach ausgefallen mit rund zehn Kandidaten. „Ich fahre einmal in der Woche nach Hamburg, wir sprechen alles ab, es handelt sich um zwei Privatställe, eine Trainingsanlage in Ripshof und in der Nordheide. Es sind in erster Linie Ripshof-Pferde, natürlich aber auch Pferde vieler anderer Besitzer“, sagt unser Gesprächspartner, der mit der Saisonbilanz vollauf zufrieden war, seit Jahren einen Spitzenplatz einnimmt.

Doch die schlimme Krise im Trabrennsport macht auch vor Breithor nicht halt. „Es ist fast gar nichts mehr haltbar in diesem Sport. Wir hoffen, dass bald etwas passiert. Es muss etwas passieren, auch den Galoppern geht es ja kaum besser. Ich begreife nicht, dass man für eine Sache, die man selbst liefert, in diesem Falle die Wettvermittlung, auch noch Geld ausgeben muss.

Und wir liefern den Buchmachern die Bilder. Wir haben einmal ausgerechnet, dass bei den Trabern von 100.000 Euro Bahnwetten 18.000 Euro für den Rennverein übrig bleiben. Wenn die Wetten über die Buchmacher laufen, sind es ganze 3.600 Euro. Das ist doch der Tod! Es geht keinem Verein mehr gut.“

Eine Patentlösung hat zwar auch ein versierter Pferdemann wie der in Niederkrüchten (25 Kilometer von Mönchengladbach entfernt) ansässige Breithor nicht parat, zeigt aber Lösungsmöglichkeiten: „Die Traber und die Galopper sollten viel enger zusammenrücken. Wenn ich sehe, wie der Sport in Frankreich oder Italien funktioniert, dann ist das bei uns doch ziemlich erbärmlich. Viele Traber-Funktionäre sind für ihre Posten doch gar nicht geeignet. Seit 1998 sind uns 50 Millionen Euro verlorengegangen. Man darf doch nicht warten, bis das Boot ganz untergeht.

Von der Trainerseite aus wollen wir nun Akteneinsicht, auch Einblick in Verträge bekommen. Selbst die Großen haben kaum Geld, viele Besitzer und Züchter hören auf, da sich das Ganze nicht mehr rentiert. Im Galopprennsport sieht es ein wenig besser aus, da es hier mehr reiche Leute als bei uns gibt.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Unterbringung des Publikums auf einigen Bahnen bei den Galoppern mangelhaft ist. Es kann doch nicht sein, dass in Neuss im Restaurant von Besitzern oder Trainern oder anderen Leuten noch fünf Euro für einen Platz verlangt werden, obwohl das Restaurant zu drei Vierteln leer ist. Das halte ich für eine falsche Taktik. Wie soll man da Leute für den Sport werben? Man sollte die Menschen auch kostenlos im Winter auf die Tribünen lassen.“

Und noch etwas liegt Manfred Breithor sehr am Herzen: „Wir Traber leiden an zu vielen Gremien. Die Galopper haben nur das Direktorium, wir haben den HVT, den ZVT und noch einige andere Verbände. Der Verwaltungsapparat kostet jede Menge Geld. Jeder Rennverein hat seine eigene Buchhaltung. Und jeder kocht sein eigenes Süppchen. Das ist doch nicht alles notwendig.“

Dabei müssen Trabertrainer für ihr Geld offenbar viel leisten, glaubt man den Worten Breithors: „Die Kosten für einen Traber sind nur rund ein Drittel so hoch wie bei einem Galopper, aber unser Trainingsaufwand ist deutlich höher. Man kann das Training von Galoppern und Trabern gar nicht vergleichen. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Bei uns muss man die Kosten für Geschirre, Wagen, Bandagen, Beschläge und Gamaschen hinzurechnen, das haben die Galopper nicht.

Bei den Gewinnen gehen bei den Galoppern rund 25 Prozent ab, bei den Trabern nur zehn Prozent. Vom Verdienst und auch der Arbeit her leben die Galoppertrainer uns gegenüber in Saus und Braus.“

Tag und Nacht-Einsätze seien keine Seltenheit. „Von den Renntagen ist man zwischen 23.30 Uhr und 1 Uhr zu Hause. Von Hamburg aus dauert es natürlich bis zum anderen Morgen. Man muss auch im Sommer viele kleinere Bahnen abfahren, das gilt auch für die Galopper. Denn die Verdienstmöglichkeiten sind gut, das Flair ist auch etwas Besonderes. In Saarbrücken gab es auch stets gutes Geld. Ich wundere mich immer, wenn dann so wenig Pferde kommen. Den meisten Trainern ist der Aufwand aber zu groß. Ich habe viele gefragt, warum sie da nicht hinkommen.

Das gibt es bei uns Trabern nicht. Wir bekommen seit 25 Jahren kein Transportgeld. Deshalb machen wir das zumeist selbst, nehmen auch weite Touren in Kauf.“

Mehr als vier bis fünf Galopper sollen es auch in Zukunft nicht werden. „Mit den Trabern bin ich schon stark ausgelastet, und ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste“, schildert Manfred Breithor.
Immerhin ist er schon 69. „Ich mache diesen Job, so lange es noch geht. Körperlich bin ich noch gut drauf, habe in letzter Zeit nur etwas Schulterprobleme. Bis voriges Jahr bin ich noch Rennen gefahren. Innerlich juckt es schon, ich muss mal schauen. Aber ich hab ja gute Fahrer.“

Doch die Nachwuchssorgen plagen auch die Traber. „Den Galoppern müsste es eigentlich in dieser Hinsicht noch besser gehen, da hier einfach mehr Geld zur Verfügung steht. Aber welcher Jugendliche nimmt diese Strapazen denn noch auf sich? Früher war es kaum denkbar, dass Frauen oder Mädchen an wichtigen Rennen teilgenommen haben. Wenn man von einem Mädchen bezwungen wurde, galt man doch als Waschlappen. Ohne sie wäre das alles aber heute nicht mehr möglich. Sie sind auch meist sehr gute Pflegerinnen.

Wenn heute schon Leute wie Heinz Wewering sagen, dass etwas passieren müsse, dann weiß man, was los ist. Er könnte im Ausland ganz anders verdienen. Und der Arbeitstag, den er hat, ist enorm. Da können die Galopper eigentlich nur von träumen.“

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