Carolin Lippert – eine neue ‚Perle‘ im Stall

‚Da habe ich die richtige Entscheidung getroffen, sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Stall“, zieht Carolin Lippert eine erste Bilanz einer Karriere, die scheinbar im D-Zug-Tempo zu verlaufen scheint. Gerade Mal acht Wochen sind vergangen, seitdem die 22-jährige erstmals in den Sattel stieg. Inzwischen stehen sieben Siege nach achtunddreißig Starts auf dem Konto, eine für einen Neuling im Metier bemerkenswerte Bilanz.

„Es waren aber auch einige Erfolge darunter, die man mehr oder weniger als Geschenke bezeichnen kann“, erklärt Trainer Christian von der Recke.

Er will nicht zu viel Rummel um seine Auszubildende, denn „es gibt auch aus der jüngeren Vergangenheit genügend Beispiele, wie Nachwuchsleute rasch, eigentlich zu rasch, nach oben kamen, glaubten, dass es so weiter ginge und dann kräftig abstürzten. Wer spricht heute noch von Clös oder Wesselmann? Der eine sucht jetzt in Frankreich eine neue Chance, der andere scheint untergetaucht zu sein“, so der Trainer, der seinen Schützling dennoch fördert und fordert.

Nicht zuletzt kamen sechs der sieben Sieger aus seinem Stall, so dass der Treffer auf Arctic Dancer für Besitzertrainer Jobst Overbeck von Carolin Lippert wohl ebenso wenig vergessen werden dürfte wie der erste auf der Stute namens Be A Star. Ein gutes Omen für die Karriere? Derartige Gedanken hegt die junge Reiterin nicht, hat aber schon genaue Vorstellungen, wie die weitere Karriere aussehen sollte.

„Mein Ziel ist Rennen zu reiten, so viele und so erfolgreich wie möglich, Rennreiten ist halt mein Herzblut“, so Carolin Lippert, die „darauf fixiert ist“ und hofft, auch dann noch ihre Chancen zu haben, „wenn die Erlaubnis weg ist.“

Die Reitererlaubnis und der gute Lauf machen sie auch für andere Trainer interessant, die zunehmend ihre Dienste in Anspruch nehmen. Das geschieht natürlich nur in Absprache mit dem eigenen Lehrherrn, der in jedem Ritt, den sie für ihn oder einen Kollegen absolviert, die Chance sieht, an Erfahrung und Routine zu gewinnen.

Begonnen hatte alles wie so oft mit einer Fernsehübertragung von Rennen, in der u. a. um reiterlichen Nachwuchs geworben wurde. Die Mutter hatte zugeschaut, der damals im Abitur steckenden Carolin aber erst zwei Wochen später davon erzählt. Die war Feuer und Flamme, sah darin die Lösung auf die Frage, was tun nach dem Abitur?

Die Neigung zum Studium war gering, der Wunsch, Jockey zu werden schon seit Kindesbeinen groß. Das Abitur wurde im bayrischen Aschaffenburg, an der Grenze zu Hessen, mit einer sehr ordentlichen Note abgeschlossen. „Dabei habe ich dafür nicht viel getan, meine Stärken waren Wirtschaft und Biologie‘, erinnert sich Carolin Lippert jener Tage, als die Entscheidung über den weiteren Werdegang anstand.

Als Hobbyreiterin (’saß schon mit drei Jahren im Sattel‘) tendierte sie zum Rennsport, ging daran, Kontakte dorthin herzustellen. Mutter und Tochter machten sich zu Visiten zu Rennbahnen auf, führten Gespräche mit Trainern, manchmal mit wenig erbaulichem Inhalt („Mädchen haben es schwer, werden nach der Lehrzeit meistens nicht übernommen, kommen kaum zum Rennreiten“).

„Die Entscheidung pro Galopp fiel im November 2001 bei der Anfahrt auf den Weilerswister Hof. Die tolle Anlage hat mich gleich begeistert und erinnerte mich mit ihrer Umgebung mit viel Grün ein bißchen an unser Zuhause in einem Vorort von Aschaffenburg‘, kann sie sich noch genau erinnern.

Man vereinbarte zunächst einmal ein einwöchiges Praktikum für die erste Januar-Woche 2002, das die letzten Zweifel wegräumte und mit der Einigung auf einen Lehrvertrag endete. Am 1. August 2002 zog Carolin Lippert auf dem Hovener Hof, so die genaue Recke-Anschrift, ein, suchte sich später aber eine Wohnung im benachbarten Heimerzheim.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre – so lautet ein altes Sprichwort, das auch für die junge Reiterin galt, die im ersten Lehrjahr mit allen in einem Rennstall anstehenden Aufgaben vertraut gemacht wurde und nach fünfzehn Monaten endlich die Chance erhielt, das Gelernte auch im Rennen zu zeigen. Neuss war der Schauplatz des Debuts, die Mutter („mein größter Fan“) eigens aus Aschaffenburg angereist.

Die ganzen Wochen zuvor hatte sie sich genau auf den Auftritt vorbereitet, doch dann dies. Bei ihrem ersten Ritt auf dem zweijährigen Irish Times verlor sie die Steigbügel.

„Ohne dieses Missgeschick hätte er so leicht gewonnen“, ärgert sie sich noch heute, wenn sie daran denkt. Auch bei ihrem zweiten Ritt auf dem Routinier Upper King war sie zu spät aus der Startboxe gekommen. „Auf den Sandbahnen werden die meisten Rennen aus dem Vordertreffen gewonnen. Daher ist ein gelungener Start enorm wichtig“, erklärt der Trainer.

Ein Problem, das gleich Gegenstand der anschließenden Manöverkritik war, und später auch nicht mehr auftreten sollte. „Dabei macht der Ton die Musik, am Tonfall des Trainers höre ich schon, wie er meine Leistung betrachtet“, so Carolin Lippert, die „sich jedes Rennen anschaut, um daraus zu lernen.“

Eine Woche und zwei Rennen später sollte es dann erstmals Grund zum Feiern geben, als sie auf Be A Star einen Alleingang hinlegte und die Konkurrenz düpierte.

Eine halbe Stunde später folgte der zweite Treffer und zugleich die Grundlage zum Gewinn der „Neusser Perlenkette“, die sechs Tage später in den Besitz der 22-jährigen überging und ein unerwartetes, umso schöneres Weihnachtsgeschenk wurde. Mit so wenig Routine und in so kurzer Zeit wie Carolin Lippert hatte wohl noch keine Reiterin in der immerhin zweiundvierzigjährigen Geschichte dieser Traditions-Prüfung gewonnen.

Das neue Jahr begann gleichfalls sehr erfreulich, als sie auf dem längere Zeit nicht gelaufenen Arnold eine Solopartie hinlegte und das erste Rennen 2004 nach Weilerswist holte. Knapp zwei Wochen später saß sie im Sattel von Silver Swan, die für den 900. Erfolg von Trainer Christian von der Recke sorgte.

Der hat mit ihr erstmals einen Lehrling in seinem Team, der seine Chancen zu nutzen weiß. „Sie kennt keinerlei Gewichtsprobleme und verfügt über eine gute Kondition, eine ausgezeichnete Konstellation für den Sport. Carolin ist für ihre Verhältnisse stark genug, weiß, wo der Pfosten steht und sich auch beim Angriff zu wehren, macht aber auch unterwegs kaum Fehler. Sie vermag zudem in Arbeit und Rennen dem Druck stand zu halten“, skizziert er seinen Schützling, der nicht auf den Mund gefallen ist, aber auch keine „kesse Lippe“ riskiert.

Gute Noten erhält sie aber nicht nur in den Rennen, sondern auch in der Jockeyschule, die sie wöchentlich einmal besucht. „Sie hat Talent und zeigt sich wissbegierig, setzt das Gelernte auch um‘, heißt es. Chancen wird sie am Recke-Stall mit Sicherheit erhalten, ist er doch für seine Reisefreudigkeit bekannt, schickt seine Pferde zu Einsätzen allerorten. Ganz gleich ob national oder international.

„Da bieten sich genügend Gelegenheiten, um mich zu verbessern, zu lernen und weitere Siege zu erzielen, was ich als meine Hauptziele für die Zukunft betrachte“, präsentiert sie ihren Wunschzettel. „Und wenn dann aber alles schief laufen sollte, habe ich ja noch die Alternative des Studiums.‘

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