„Endlich mal wieder Reiter, die einschlagen“

Wer zeitweise unter besondere Beobachtung gestellt ist, wird spaßeshalber oftmals mit dem Spruch „Big Brother is watching you“ bedacht. Das könnte auch für die erste deutsche Jockeyschule in Köln gelten. Denn über mangelndes Medieninteresse kann sich die Schule weiß Gott nicht beschweren. Seitdem die vom „Förderverein für Jockey Aus- und Weiterbildung“ gegründete Unterrichtsstätte ihre Pforten im März 2003 dieses Jahres an der Weidenpescher Rennbahn öffnete, gibt es kaum einen Kurs ohne Fernseh- oder Zeitungsbegleitung.

„Die Schule ist zur Zeit ja fast das einzig Positive im Rennsport“, erklärt Trainer Ralf Suerland, der die Auszubildenden in seinen Räumen beherbergt.

Positiv ist dabei vor allem das Interesse der Nachwuchsreiter an dem neuen Lernangebot. „Die Schule wird von den Jugendlichen auf jeden Fall gut angenommen“, sagt Ehefrau Petra Suerland, die für die Organisation der Jockeyschule verantwortlich ist.

„Und die Erfolge sind da. Emrah Kurdu, Eugen Frank und Raoul Dygas haben ja ganz gut eingeschlagen.“ In der Tat: Alle drei Jockeys wurden zum ersten Mal von Ralf Suerland für die Schule auf ein Pferd gesetzt und konnten seither einige Erfolge verbuchen. Eugen Frank kommt bei 99 Starts bisher auf 15 Siege (Gewinnsumme: 52.535 Euro), feierte seinen ersten am 12. April 2003 in einem Ausgleich IV in Dresden auf Royal Wood. Raoul Dygas startete 57 Mal und errang 14 Siege/12 Plätze (53.500 Euro), während Emrah Kurdu in 63 Rennen sechs Siege und 20 Platzierungen erreichte (36.460 Euro).

Dass Suerland verstärkt erfahrene beziehungsweise bessere Nachwuchsjockeys für die Rennen aufstellt, bestreitet der Trainer kategorisch. Zum einen müsse man gute Talente verstärkt fördern, zum anderen müsse er auch sehen, wie er mit den Gewichten zurecht komme, so der Trainer. Ein weiterer wichtiger Grund sind die Besitzer. Diese wollen natürlich auch mal Erfolge sehen, sonst liessen sie ihre Pferde nicht mehr in der Schule stehen.

Aus diesem Grunde setzt Suerland öfter einmal Jockeys wie Andreas Göritz oder Pascal Jonathan Werning ein. Eugen Frank und Emrah Kurdu sind jedoch mit den Fortschritten in ihrer bisherigen Laufbahn zufrieden und bewerten die Schule als „sehr gut“.

Andreas Helfenbein, der in erster Linie für die Fitness zuständig ist, und Manfred Hofer seien gute Ausbilder, die einen auf jeden Fall weiterbringen würden. Und besonders dank des elektrischen Pferdes Mr. Ed „habe ich viel dazu gelernt“, meint Kurdu, dessen langfristiges Ziel es ist, „möglichst viele Rennen zu gewinnen, aber im Moment möchte ich erst einmal Jockey werden“. Dass die Schüler in der Rheinmetropole eine Menge lernen, bestätigt auch Petra Suerland: „Man sieht in der einen Woche bereits große Verbesserungen.“

Und auch Eugen Frank ist sich sicher „einen guten Schritt nach vorne“ gemacht zu haben. Er war mittlerweile schon zweimal bei einem Lehrgang in der Schule und findet es besonders gut, dass man dort gut auf die Rennen vorbereitet wird und individuelle Schwachstellen ausgemerzt werden können – ein Manko der täglichen Arbeit zu Hause im Stall.

„Beim ersten Mal war mein Endkampfverhalten schlecht, da habe ich eine Woche lang dran gearbeitet und es verbessert“, so Frank. „Und dann klappt bei mir der Peitscheneinsatz mit der linken Hand nicht so gut, darum habe ich mich in der zweiten Woche gekümmert.“ So konkret kann in den „Heimställen“ nicht auf die individuellen Schwächen eingegangen werden. Man wird laut Kurdu in der Schule „einfach mehr gefordert“.

Das Programm während des einwöchigen Intensivlehrgangs kann sich also sehen lassen. Morgens werden die Azubis von der Jugendherberge abgeholt, treffen gegen 5.30 Uhr im Stall ein, verrichten die morgendliche Stallarbeit, ehe sie mit dem ersten Lot auf die Rennbahn gehen. Danach geht es munter weiter.

Mr. Ed wartet bereits, um die angehenden Jockeys in Bezug auf richtigen Peitscheneinsatz neu zu fordern. Wie lange Mr. Ed seiner Tätigkeit noch nachgeht, ist allerdings fraglich – er soll durch ein neues, moderneres Gerät ersetzt werden, die Bemühungen für eine Anschaffung aus England laufen bereits.

An der eigens zur Beobachtung eingebauten Spiegelwand können die Nachwuchsreiter ihre Haltung auf Mr. Ed selber betrachten und korrigieren. Anschließend geht es in die Schulungsräume, wo per Videoaufnahmen die Ritte der Teilnehmer analysiert werden und Informationen zur richtigen Ernährung oder Versicherungen von Jockeys weitergegeben werden. Und schneller als man denken kann, ist der einwöchige Lehrgang, dessen Kosten komplett von dem Förderverein beglichen werden, bereits vorbei.

Was sich dabei für den Laien zunächst unwahrscheinlich toll darstellt, sieht in der Realität jedoch leider (noch) nicht ganz so rosig aus. Es herrscht zum Beispiel ein großer Pferdemangel. „Wir sind erst am Anfang“, gibt Ralf Suerland zu bedenken. „Es werden leider wieder weniger Pferde, deshalb ist auch jetzt ein Kurs ausgefallen. Momentan stehen fünf Pferde hier, normalerweise müssten es zwölf sein. Aber die Besitzer tun sich schwer, Pferde locker zu machen.“

Die Gestüte Schlenderhan, Wittekindshof und Röttgen haben jeweils ein Pferd für die Schule abgestellt, von Fährhof stehen zwei zur Verfügung – ansonsten Fehlanzeige. Aus diesem Grunde musste der jetzt für Mitte November geplante Kurs abgesagt werden, vorherige Lehrgänge konnten teilweise statt mit sechs nur mit vier Teilnehmern durchgeführt werden. „Ich kann die Kurse nicht nur mit meinen eigenen Pferden machen, das geht einfach nicht“, erklärt Suerland die missliche Lage.

Aktuell hat er daher noch einmal an die Besitzer appelliert, Pferde zur Verfügung zu stellen – ob dies fruchtet, bleibt abzuwarten. Die ursprüngliche Idee, einen Extra-Stall nur mit Schulpferden zu haben, in dem die Auszubildenden in aller Ruhe wirken können ohne den normalen Trainingsbetrieb von Suerland zu stören, ist daher augenblicklich nicht zu verwirklichen.

Derzeit stehen noch Pferde von Ralf Suerland mit in dem Stall, damit dieser nicht gänzlich verwaist. Daran sieht man schon, dass die Schule noch ein wenig in den Kinderschuhen steckt. In Irland, Frankreich oder Italien habe man ganz andere Bedingungen, merkt Suerland an, da stünden mindestens 50 Pferde den Schulen zur Verfügung.

Dennoch klingt das bisherige Fazit von Ralf Suerland keineswegs negativ: „Es hat sich sehr gut entwickelt, auch wenn bei vielen Dingen noch improvisiert wird. Endlich gibt es mal wieder Reiter, die einschlagen – dafür wurde die Schule ja ins Leben gerufen. Obwohl aus meiner Sicht noch keiner dabei ist, wo ich sage, der wird ein absoluter Starjockey.“ Grund hierfür: Viele der Jockeys sind zu schwer geworden.

Petra Suerland glaubt, einen der Gründe hierfür zu kennen: „Es ist ein Problem, weil gerade die Fitness-Übungen zu Hause nicht weitergeführt werden.‘ Während der Lehrgänge gehen die Auszubildenden unter Anleitung joggen und machen entsprechendes Training, zu Hause ist dies schnell vergessen. „Das liegt zu achtzig Prozent am Menschen selber“, fügt Eugen Frank, der am liebsten jede Woche reiten möchte, um Ritte zu sammeln und irgendwann Karriere zu machen, an.

„Jeder muss selber für sich arbeiten. Das ist genauso wie in anderen Sportarten auch.“ Zukünftig werden in der Schule ein paar kleine Änderungen vorgenommen. So löst zum Beispiel Peter Heugl seinen Kollegen Andreas Helfenbein ab, der im Winter nach Macau geht, und Manfred Hofer wird von Peter Remmert ersetzt, da Hofer vorerst keine Zeit mehr für die schulische Ausbildung hat.

Zudem sollen möglichst nur noch Nachwuchsreiter zu den Lehrgängen eingeladen werden, die kurz vor der Zwischenprüfung stehen. Das wurde von der Landwirtschaftskammer vorgeschlagen und wird demnächst so umgesetzt. Anfänglich wurden Azubis im zweiten Lehrjahr genommen, um laut Suerland „erst einmal in die Materie zu finden“.

Als Hauptziel gibt Ralf Suerland an, in zehn Jahren eine komplette Schule mit eigenem Gebäude, integrierter Küche zur Verköstigung, vollem Stall und ganztags Betreuern zu haben. Dazu müssen sich aber neben seiner Frau noch weitere Leute engagieren.

Für das kommende Jahr sind jedoch erst mal wieder zehn neue Kurse geplant, die ab März, wenn das Wetter langsam wieder besser wird, beginnen. Was die weitere Zukunft bringen mag, wird wohl von den Medien weiterhin im Blick behalten – schließlich is Big Brother watching you…

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