Zum 29. Mal in der Geschichte des deutschen Rennsports wird am Sonntag ein Starter für den Prix de l`Arc de Triomphe gesattelt. 19 Jahre nach dem Sensationssieg von Star Appeal schickt Trainer Andreas Schütz den Derbysieger Dai Jin in das wichtigste Pferderennen Europas, vielleicht sogar das prestigereichste der ganzen Welt.
Seit jenem 1197:10-Toto-Wunder aus dem Jahr 1975 versuchten Ausnahmepferde wie Nebos, Acatenango, Platini, Lando oder auch Tiger Hill vergeblich ihr Glück im Bois de Boulogne. Tiger Hill gelang immerhin Platz drei in dem Gruppe I-Rennen über 2400 Meter, neben Borgias (1997) und Oleanders (1929) dritten Plätzen die beste deutsche Leistung nach eben dem Triumph von Star Appeal.
Mit einer Platzierung wäre am Sonntag um 17.30 Uhr sicher auch das Lager von Dai Jin zufrieden. „Wir wollen unter die ersten fünf kommen, wobei ein fünfter Platz sicher schon am unteren Ende der Erwartungen liegen würde und ich glaube, dass wir mehr erreichen können“, gab sich der kommende Champion-Coach Andreas Schütz nach der Abschlussarbeit am Montag Morgen zuversichtlich.
Zusammen mit dem St. Leger-Mitfavoriten Shamal absolvierte Dai Jin unter Terry Hellier auf der Grasbahn in Weidenpesch seine Generalprobe für das mit 1,6 Millionen Euro dotierte Monstre-Rennen. Das Schütz-Urteil: „Das war überzeugend und wirklich gut. Das Pferd ist höllisch gut drauf und die Vorbereitung war optimal.“
Die englischen Buchmacher führen den Peintre Celebre-Sohn an siebter Position ihrer Wettmärkte, bieten auf einen Arc-Sieg des Deutschen Kurse zwischen 160:10 und 210:10. Besitzer Werner Heinz hat sich rechtzeitig einen besseren Toto gesichert, soll bereits Mitte des Jahres zu einer Quote von 270/1 untermauert haben, dass er an einen Sieg in Longchamp glaubt.
Träumen davon darf er zumindest. Bisher hat sein dreijähriger Schlenderhaner noch nicht viel falsch gemacht, gewann überzeugend das BMW Deutsche Derby, um danach auch im Credit Suisse – Pokal gegen Next Desert und den Coronation Cup-Sieger Warrsan auf der Heimatbahn leicht zu gewinnen. „Natürlich muss er all diese Formen noch einmal deutlich steigern, doch bin ich sicher, dass er das kann. Dai Jin wurde noch nie wirklich gefordert und musste noch nie an seine Grenzen gehen“, so Schütz.
Dieser wird seine Arc-Oder wie zuletzt in Köln oder zuvor in Hamburg an Olivier Peslier geben. Der französische Star-Jockey hatte früh nach dem Blauen Band signalisiert, dass er Dai Jin auch im Arc reiten will. Schon im August ersuchte Peslier bei den Wertheimer-Brüdern, bei denen er seit diesem Jahr als Privatjockey fungiert, um Freigabe für den Arc. Nur ein Fingerzeig auf die vermeintliche Qualität des Pferdes.
„Dai Jin erinnert mich unheimlich an seinen Vater und ich würde ihn nicht reiten, wenn ich nicht an ihn glauben würde. Mir wurde berichtet, dass er sich noch einmal gesteigert hat und richtig gut drauf ist. Natürlich ist der Arc eine andere Liga, aber ich glaube an unsere Chance“, erläutert Peslier, der am Sonntag seinen vierten Sieg im Prix de l`Arc de Triomphe anpeilt. In den Jahren 1996 bis 1998 war Peslier ein lupenreiner Arc-Hattrick geglückt. Nach dem Erfolg von Hellissio schlug er ein Jahr später mit Dai Jins Vater Peintre Celebre zu, bevor er mit Sagamix (damals wurde Tiger Hill Dritter) die Dreierserie perfekt machte. Dieses Kunststück war zuvor nur Pat Eddery (in den Jahren 1985 bis 1987) geglückt.
Für den Schütz-Stall wird es am Sonntag der siebte Arc-Starter sein. Bruno Schütz schickte Britannia (9.), Platini (13.) und Borgia (3.) nach Longchamp, Sohn Andreas zeichnete für Caitano (5.), Flamingo Road (10.) und Samum (6.) verantwortlich.
Neben der Gewinnsumme von 914.240 Euro warten 12 World Series-Punkte auf den Titelträger des siebten Laufs der Championchip. Die Verantwortlichen rechnen mit besten äußeren Bedingungen und gutem Boden. Am Donnerstag und Freitag wird der Rasen gemäht, am Arc-Tag soll das Gras auf dem „Teppich“ in Longchamp rund 12 cm lang sein. Knapp 50.000 Menschen werden erwartet, an den Bildschirmen werden bis zu 1 Milliarde Menschen den Arc-Traum eines Besitzers in Erfüllung gehen sehen.
Favorit dafür ist Lokalmatador Dalakhani. Dieser soll nach den Siegen von Sinndar, Sakhee und Marienbard zum ersten französischen Arc-Gewinner des neuen Millenniums werden. Bei seinen Erfolgen im Prix Lupin, dem Prix du Jockey Club und vor drei Wochen im Prix Niel hat er bewiesen, dass er das Zeug dazu hat. „Dalakhani hat sich noch einmal verbessert und ich würde mir keine andere Vorbereitung wünschen als wir sie hatten“ – Trainer Alain de Royer-Dupré ist optimistisch. Royer-Dupré wird im Vorhaben, seinen ersten Arc überhaupt zu gewinnen, den Daylami-Bruder mit Verstärkung eines Pacemakers ins Rennen schicken, will es mit Dalakhani von hinten versuchen.
Eine einzige Niederlage musste der Darshaan-Sohn bisher einstecken. Doch diese Niederlage im Irish Derby gegen das höchsteingestufte Pferd Europas, Alamshar, war wohl mehr auf unglückliche Umstände als auf mangelnde Klasse zurückzuführen. „In neun von zehn Fällen gewinnen wir gegen Alamshar. Ich weiß, dass ich am Sonntag auf dem besten Pferd sitze und rechne nicht damit, zu verlieren. An der 200 Meter-Marke werden wir ihnen zeigen, was ein Champion ist“, ist auch Jockey Christophe Soumillon positiv gestimmt. Für Soumillon wird es der vierte Arc-Auftritt seiner Karriere sein. Und das in einer Saison, in der ihm ohnehin fast alles gelingt.
Überall rangiert Dalakhani auf der Pole Position der Wettmärkte. Und traut man dem grenzenlosen Optimismus im Lager um den Schimmel, gibt es am Sonntag kein Verlieren. Noch nie hat sich Alain de Royer-Dupré der französischen Presse so positiv über ein Pferd und ein Rennen geäußert wie eben jetzt über Dalakhani und den Arc. Seinen Feinschliff für das Rennen holte sich der Dreijährige nicht wie gewohnt auf seiner üblichen Heimatbahn, wurde bewusst auf die Piste de Reservoire gebracht, die normalerweise als Trainingsbahn für die Zweijährigen verwendet wird.
„Wir wollten ihm damit einen Wechsel der Szenerie bieten und ihn nur auf der Geraden Bahn über 1400 Meter arbeiten lassen und ihn außen einsetzen“, so der Coach. Christophe Soumillon meinte nach der Arbeit: „Das Ansteigende war perfekt für ihn. Er hat seine Lungen geöffnet und wird am Sonntag nicht gegenüber durchatmen müssen, so gut ist er drauf.“ Neben einer starken Medienpräsenz weilte auch Sarah Princess Aga Khan vor Ort. Für ihre Familie soll Dalakhani am Sonntag nach Akiyda (1982) und Sinndar (2000) zum dritten Arc-Sieger der letzten drei Jahrzehnte werden.
Glaubt man den englischen Buchmachern, wird der englische und irische Derbysieger des vergangenen Jahres, High Chaparral, am ehesten am Thron des Aga Khan-Cracks rütteln können. Nach einer Schulterverletzung meldete sich der vierjährige Sadler`s Wells-Sohn mit einem Gruppe II-Sieg (Royal Whip) zurück, bevor er dann in den Irish Champion Stakes (Gr.I) glücklicher Sieger über das Ausnahmepferd Falbrav wurde.
„High Chaparral war nach den Champion Stakes ein wenig steif. Jetzt ist er aber gut drauf und derzeit läuft alles bestens in Sachen Paris. Natürlich würden wir weichen Boden in Longchamp bevorzugen“, gibt der Ballydoyle-Maestro Aidan O’Brien zu Protokoll. Im Sattel von High Chaparral wird Mick Kinane sitzen, für O`Brien geht es mit dem Vorjahresdritten um den ersten Sieg im Arc überhaupt. Jockey Mick Kinane gewann das Rennen zuletzt mit Montjeu 1999 für High Chaparrals Besitzer Michael Tabor und Sue Magnier.
Während die in den letzten zwei Jahren erfolgreiche Godolphin-Operation keinen Starter in den Bois de Boulogne schickt, sitzt Frankie Dettori auf dem Fabre-Hengst Doyen. „Egal auf welchem Pferd man am Sonntag sitzen würde, gegen Dalakhani gibt es kein Ankommen“, schätzt der am letzten Wochenende mit Mamool im Preis von Europa erfolgreiche Weltmeister die Chancen ein. Dettori weiter: „Doyen würde weichen Boden bevorzugen und ist ein stark gesteigertes Pferd.“ Frankreichs Trainer Nummer 1, Andre Fabre, gewann fünfmal den Prix de l`Arc de Triomphe, brachte sich im Titelkampf erst spät im Prix Niel so richtig ins Gespräch. Sheikh Mohammeds Doyen wurde Zweiter zu Dalakhani. Für eine Formumkehr spricht eigentlich wenig, für Doyen könnte der Arc sogar ein wenig früh kommen.
Mit großer Routine schickt Eric Libaud den Kaldounevees-Sohn Ange Gabriel ins Rennen. Der fünfjährige Schimmel gewann sieben seiner letzten acht Rennen und war bei seinen letzten 11 Starts in den letzten 18 Monaten jeweils unter den ersten drei. Siege in der Hong Kong Vase, dem Grand Prix de Chantilly, dem Doppelerfolg im Grand Prix de St. Cloud und zuletzt im Prix Foy machen den Hengst zum vierten Wettmarkt-Favoriten.
“Am Montagmorgen hat er seine Abschlussarbeit absolviert und hat mich überzeugt. Er hat nach dem Prix Foy nicht mehr all zu viel gemacht. Das Rennen hat ihn aber deutlich weitergebracht und wir gehen mit einem Ange Gabriel in sehr guter Form in den Arc“, berichtet Trainer Eric Libaud. Im Sattel des Hengstes, für den Mitte der Saison Angebote in Millionenhöhe abgelehnt wurden, sitzt der zweifach im Arc erfolgreiche Thierry Jarnet. Ange Gabriel soll es Sagace nachmachen, der als letztes Pferd 1984 das Doppel Foy / Arc vollbrachte.
Für die 82. Auflage des Rennens rechnen die Verantwortlichen in Paris mit einem Feld von 14 Pferden. Beim letzten Streichungstermin am Donnerstag blieben 19 Kandidaten im Aufgebot. Darunter auch jeweils ein Pacemaker für Dalakhani, High Chaparral und den englischen Derbysieger Kris Kin (Kieren Fallon).
Ob die beiden Französinnen Bright Sky und Ana Marie (zuletzt Zweite zu Russian Rhythm) in die Arc-Boxen einrücken, wird sich erst in der letzten Minute entscheiden. In beiden Lagern liebäugelt man auch noch mit einem Start im Prix de l`Opera. Bright Sky absolvierte am Montag unter Dominique Boeuf ihren letzten Galopp und zeigte laut Trainer Ellie Lellouche die beste Arbeit der bisherigen Saison. Ein Fakt, der dem Wildenstein-Team die Entscheidung sicher nicht leichter machen wird.
Dr. Andreas Jacobs wird sich nach Platz zwei im Großen Bugatti Preis mit Black Sam Bellamy am Sonntag in einer großen Außenseiterrolle wiederfinden. Kurse von bis zu 500:10 geben die Buchmacher auf einen Sieg des Galileo-Bruders, der im letzten Jahr noch als Pacemaker für High Chaparral eingesetzt wurde. Black Sam Bellamy wird im nächsten Jahr bekanntlich im Gestüt Fährhof aufgestellt werden, Deutschland wird somit auch die zweite O`Brien-Farbe im Rennen genau beobachten.
Ob Black Sam Bellamy hinter High Chaparral allerdings die zweite oder dritte Wahl des irischen Erfolgscoaches ist, wird man erst am Donnerstag wissen. Noch hat O´Brien die Vermeille-Zweite Yesterday im Arc-Aufgebot. Auch hier ist der Prix de L´Opera die Alternative.
Sicher starten wird Englands Derbysieger Kris Kin, der nicht zu unterschätzende bei den letzten vier Starts erfolgreiche Mamool-Bezwinger Mubtaker (Richard Hills), die irische Leger-Legende Vinnie Roe aus dem Form-Stall von Dermot Weld und der englische St. Leger Sieger, Bollin Eric. Hinter dem Grand Prix de Deauville-Gewinner Policy Maker steht ein Fragezeichen, Alamshar wurde im Aufgebot gelassen und wird laufen, wenn sich Dalakhani kurzfristig verletzen sollte.
„Nur der Himmel ist die Grenze“ – dieses Motto gilt am Sonntag um kurz nach halb sechs für den Sieger des Rennens des Jahres. 82. Prix de l´Arc de Triomphe – Der Beste möge gewinnen. Und Deutschland drückt Dai Jin die Daumen.