Caitano – Der Abschied nach 300.000 Kilometern

‚Ich schaue erst auf die Pferde und dann in den Katalog.‘ Ein Satz, den ein absoluter Pferdemann gesagt hat. Der mit seinem Sachverstand und vor allem seinem Auge auch zahlreiche Besitzer glücklich machte. Denn in Sachen Pferdekauf, da machte diesem Bruno Schütz kaum jemand etwas vor. Der unvergessene Trainer, Vater von Andreas Schütz, der seinen Stall vor wenigen Jahren übernahm, tätigte auf Auktionen so manches Schnäppchen. Glückskäufe à la Bruno Schütz waren alles andere als eine Seltenheit.

Doch eine Investition dürfte auch für ihn herausragend gewesen sein. Der Kauf von Caitano. Sieben Jahre ist es her, da gefiel Schütz auf der October Yearling Sales von Tattersalls in Newmarket der Niniski-Sohn aus der Eversince. Und er hatte Glück.

Bei umgerechnet rund 75.000 fiel der Hammer, die IVA von Rüdiger Alles bekam den Zuschlag für den Jährling, handelte im Auftrag des Ennepetalers Hans Klöber, der Caitano für seinen Stall Blauer Reiter erwarb. Zehn Pferde hatte sich Klöber im Katalog ausgesucht, Schütz sollte zwei kaufen, entschied sich für Caitano und Baiano.

Ein Geschäft, das Klöber nie zu bereuen brauchte. Denn Caitano, der am vergangenen Sonntag mit seinem vierten Rang im Gran Premio del Jockey Club e Coppa d´Oro hinter Black Sam Bellamy, Guadalupe und Ekraar seine sensationelle Karriere beendete, avancierte zu einem prägenden Pferd der deutschen Turf-Geschichte.

1996, am 1. September, hatte im Kohle-Preis in Gelsenkirchen alles seinen Anfang genommen. Ein Maidenrennen über 1400 Meter, das er bereits als 23:10-Favorit bestritt. Unter Alessandro Schikora hatte er erwartungsgemäß mit Eastwood und Seizinger keine Probleme, behielt mit dreieinhalb Längen die Oberhand und wurde von Bruno Schütz dann zielstrebig auf den Preis des Winterfavoriten vorbereitet.

Bei der ‚Zwischenetappe‘ im Excelsior-Hotel-Ernst-Criterium reichte es zwar nur zu Platz zwei, doch war es sicher keine Schande, mit Kopf gegen den Röttgener Ungaro zu verlieren.

Im wichtigen Youngster-Treff in Weidenpesch stand Caitano dennoch 249:10 am Toto. Kein Wunder, hatte sich doch Stalljockey Andrasch Starke für den späteren Sieger Eden Rock (19:10) entschieden. Erneut mit Alessandro Schikora sprang aber ein mehr als respektabler Ehrenplatz heraus inmitten eines Schütz-Quartett mit Mr. Finch und Etmal auf den weiteren Geldrängen.

Natürlich musste Caitano nach dieser Leistung über Winter zu den Top-Hoffnungen für das Blaue Band 1997 zählen. Hoffnungen, die sein Jahresdebut untermauerte. Allerdings: Im Großen Müller Brot-Preis hatte er unter Neil Grant zwar als Erster die Ziellinie überquert, aber den Gröschel-Schützling Ajano (Andrzej Tylicki) gestört, wurde am Grünen Tisch hinter den Konkurrenten in München zurückgestuft.

Die Entschädigung folgte schnell, denn im 162. Oppenheim-Colonia-Union-Rennen auf seiner Kölner Heimatbahn kanterte Caitano, nun mit Andrasch Starke, der Konkurrenz davon. ‚Das ist der Derbysieger‘, hörte man zahlreiche Besucher im Weidenpescher Park sagen, als er mit dreieinhalb Längen zu einer Quote von 37:10 gegen San Suru und Saugerties hinkam.

So sah es auch das Publikum in Hamburg, das ihn auf 27:10 herunterwettete. Andrasch Starke konnte ihm die alles entscheidenden Reserven allerdings nicht entlocken, der vierte Rang war nicht ganz das, was man sich vorgestellt hatte. Es hatte sogar zur Konsequenz, dass sein Besitzer im folgenden Jahr nicht mehr zum Derby fuhr, den Triumph von Robertico nicht live miterlebte.

Caitanos Betreuer Bruno Schütz konnte sich aber dennoch auf die oberste Sprosse des Siegerpodestes stellen, denn mit Borgia hatte mit Olivier Peslier seine ‚persönliche Favoritin‘ gewonnen, hatte Baroon und Happy Chance auf die Plätze verwiesen.

Der erste Gruppe I-Treffer für Caitano ließ allerdings nur noch rund fünf Wochen auf sich warten, bis zum 41. Aral-Pokal, den die 38:10-Chance als dritter Favorit gegen Luso und Que Belle gewann. Andrasch Starke war längst zum ständigen Partner avanciert. Erneut gab es anschließend im Mercedes Benz – 125. Großer Preis von Baden einen kleinen Rückschlag, denn wieder war Borgia deutlich besser, Caitano blieb als Fünfter erstmals ohne Geld.

Sage und schreibe 422.428 DM verdiente er dann beim Triumph im Gran Premio del Jockey Club e Coppa d´Oro, also ausgerechnet in der Prüfung, mit der er am Sonntag seine Karriere beendete. Es war erneut ein Sieg über Luso.

Jetzt wagte Bruno Schütz beim letzten Start unter seiner Regie den Sprung auf einen anderen Kontinent, bot Caitano im Japan Cup auf, dem Monstre-Rennen in Tokio. Und der Speed Caitanos – man erinnert sich noch an die legendäre Original-Reportage von Addi Furler – brachte ihn auf den vierten Platz hinter Pilsudski, Air Groove und Bubble Gum Fellow. (347.037 DM war die Summe auf dem Japan-Scheck!).

Andreas Schütz, fortan verantwortlich für das Wohlergehen des Hengstes, gönnte Caitano 1998 eine wohlverdiente Pause, begann mit Caitano erst im Juni im Gran Premio di Milano, der allerdings nichts einbrachte. Danach musste er sich im WGZ-Bank-Deutschlandpreis Tiger Hill und wieder Ungaro beugen, ehe im Mercedes Benz – 126. Großen Preis von Baden nur Tiger Hill stärker war, allerdings mit vier Längen die Oberhand behielt.

Bis zu diesem Zeitpunkt streifte Andrasch Starke stets die Farben des Stalles Blauer Reiter über, doch verkaufte Hans Klöber seinen Crack vor dem Prix de l´Arc de Triomphe an Gary Tanaka. Der Kaufpreis soll eine Million Mark betragen haben.

Wir erinnern uns noch genau, wie Bruno Schütz, damals gesundheitlich schon stark angegriffen, den Arc damals im Dortmunder Presseraum verfolgte, später mit dem Rennverlauf haderte, denn Caitano hatte deutlichen Startverlust, endete noch auf dem fünften Platz, hinter Sagamix, Leggera, Tiger Hill und Croco Rouge. ‚Ich hoffe, dass er noch den einen oder anderen Start für uns absolvieren wird‘, hatte er noch angefügt, wusste nicht, dass Caitano bis zum Schlusspunkt bei seinem Sohn Andreas bleiben würde.

“Eigentlich hat Herr Tanaka ihn für Amerika gekauft”, erläutert Andreas Schütz. Als er dann im Breeders´ Cup schlecht gelaufen war, konnte ich ihm versichern, dass die amerikanischen Bahnen nichts für ihn sind.”

Nach dem Breeders´ Cup Turf war auch der Japan Cup ein Schwachpunkt, ehe er als Vierter in der Hong Kong Vase eine überzeugende Form zeigte, seinen Ruf als erfolgreicher Globetrotter festigte.

Wegen Hufproblemen fiel die Saison 1999 sehr kurz aus (lediglich drei Starts), aber selbst bei wenigen Gelegenheiten demonstrierte der Niniski-Sohn seine ganze Klasse. Sei es bei Platz drei im Dubai Turf Classic hinter Fruits of Love und Nedawi. Über zwei Monate vergingen bis zu Caitanos großartiger Kampfpartie gegen Tiger Hill im Großen Preis der Baden-Airpark in Iffezheim. Gefolgt vom Canter-Sieg (mit acht Längen der überlegenste Treffer in seiner Karriere) gegen relativ überschaubare Konkurrenz wie Prince of Denial und Icemoon im 103. Idee Hansa-Preis in Hamburg, womit auch schon wieder Schluss war.

Auch 2000 zog es das Schütz-Team nach Dubai. Und man wurde reichlich belohnt. Denn nach einem misslungenen Aufgalopp im Prix Exbury in Saint-Cloud schaffte Caitano das Unvorstellbare, erreichte im Dubai Sheema Classic einen hervorragenden Ehrenplatz hinter dem überlegenen Fantastic Light, der damals noch am Anfang einer Welt-Kampagne stand. Mit 784.314 Mark verbuchte er den höchsten Gewinn seiner Karriere.

Vier nette, wenn auch nicht überragende Vorstellungen (in Premio Presidente, Gran Premio di Milano, WGZ-Bank-Deutschlandpreis und ELE-Pokal) ließen erste Zweifel aufkommen, ob Caitano noch voll auf der Höhe sei. Doch hatte sein Betreuer dann mit dem Bosphorus Cup in Istanbul eine verlockende Aufgabe avisiert, die sich Caitano mit vier Längen Vorsprung nicht nehmen ließ, wieder Selbstvertrauen tankte.

Über einen guten vierten Rang im Canadian International (der Sieger hieß Mutafaweq) peilte er zum zweiten Mal Hong Kong an, schlug sich als Dritter in der ‚Vase‘ vortrefflich. Beachtlich: Caitano war wieder der stärkste Deutsche, während Silvano und Catella blass blieben, Daliapour vor Ela Athena sich durchsetzte.

Jetzt war man so richtig auf den Geschmack für Asien-Auftritte gekommen, wagte den Sprung in den Singapore Cup 2001. Im Alter von bereits sieben Jahren komplettierte Caitano als Zweiter zu Silvano eine deutsche Zweierwette auf dem Kranji-Kurs. “Er war da im Führring sehr hengstig, was das Publikum begeisterte, da man dort nur Wallache kennt”, erzählt Andreas Schütz. An diese Leistung konnte Caitano aber weder im Dubai Sheema Classic (Sechster), im Queen Elizabeth Cup in Hong Kong (Achter), noch zurück in Deutschland im 105. Idee Hansa-Preis oder im WGZ-Bank-Deutschland-Preis in Düsseldorf anknüpfen.

Den wahren Caitano erlebte man in der Arlington Million in Chicago, auch wenn Rang vier angesichts des Sieges von Silvano fast ein wenig unterging. Der Weltenbummler versuchte sich schließlich noch zweimal in Australien (Cox Plate, Melbourne Cup) sowie zum dritten Mal in der Hong Kong Vase, jedoch mit wenig Fortune.

Andreas Schütz änderte seinen Kurs, schwenkte fortan auf Deutschland um und schickte Caitano 2002 in etwas weniger anspruchsvolle Prüfungen. Caitano dankte es auf Anhieb mit Platz drei im Großen Preis der Bremer Wirtschaft in Köln, war im Gerling-Preis als Fünfter nicht durchschlagskräftig genug, doch ließ der dritte Rang zu Simoun und Well Made im Idee Hansa-Preis wieder erkennen, dass er unverändert nicht zum alten Eisen zählte.

Mitte Juli ging es in den Süden, in einem Listen-Rennen in München raufte er sich nach hartem Kampf gegen Tareno nach Hause, glänzte auch als Dritter in der Scandinavian Open Championship, dem ersten seiner vier letzten Auslandseinsätze. Während Caitano die Türkei nicht ein zweites Mal erobern konnte (im Bosphorus Cup kam er über den sechsten Platz nicht hinaus), entführte er den Großen Preis von Warschau ausgesprochen locker nach Köln, hatte dabei William Mongil im Sattel.

Schütz hatte im Herbst von Caitanos Karriere noch einen Schlüssel zum Erfolg gefunden, wechselte regelmäßig den Reiter, um ihn immer wieder zu motivieren. So wurde er ab August 2001 gesteuert von Gerald Mossé, Kent Desormeaux, Andrasch Starke, Johnny Murtagh, Olivier Peslier, Kieren Fallon, Terry Hellier, Warren O´Connor, Mark Larsen, William Mongil sowie Mirco Demuro, mit dem er den krönenden Abschluss in Mailand hinter Black Sam Bellamy, Guadalupe und Ekraar feierte.

26 seiner 46 Auftritte absolvierte Caitano im Ausland, gewann neun Rennen und war 25 Mal im Geld, verdiente dabei annähernd 2,2 Millionen Euro, mit einem Top-GA von 100,5 Kilo (1997 und 1998). In der ‚Ewigen Bestenliste des deutschen Turfs‘ liegt er hinter Lando und Silvano auf dem dritten Platz. Dabei legte er mehr als 300.000 Kilometer zurück, das ist soviel, als würde man achtmal die Erde umkurven!

“Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, wenn nicht gar das meiste überhaupt”, schildert Schütz. “Durch Caitano habe ich viele internationale Erfahrungen sammeln können, auch Anerkennung bekommen.” Und auch vom Finale in Mailand schwärmt der Coach noch. “Ich war unheimlich stolz, dass er sich mit einer so tollen Leistung verabschiedet hat. Er verlässt den Rennstall total gesund.”

Und bald wird hier sicher so manche Träne vergossen. Schütz: “Bis Anfang nächster Woche bleibt er noch hier, fährt dann zur Tierärztlichen Hochschule Hannover, wo eine Samenprobe entnommen wird. In einem Sammeltransporter mit anderen Pferde, vor allem Mutterstuten, geht es dann später nach Russland. Ich habe von dem Gestüt Wolgograd nur Bestes gehört, die Boxen sind dreimal so groß wie hier. Es soll nördlich vom Kaspischen Meer liegen, allerdings ist der Breitengrad südlicher als Köln.”

Doch eines muss Andreas Schütz noch loswerden, während unseres Fototermins wenige Tage nach dem Milano-Auftritt Caitanos: “Ich finde es sehr bedauerlich, dass ein Pferd wie Caitano nicht Deckhengst in Deutschland werden kann. Er hat Epsom-Derbysieger, französische Derbysieger, Breeders´ Cup-Sieger, über hundert Gruppesieger hinter sich gelassen, war immer kerngesund. Eigentlich hat er unser Zuchtsoll voll erfüllt, was Leistung und Härte anbetrifft. Außer einer Hufverletzung hat Caitano nie etwas gehabt. Seine Beine sind noch wie bei einem Dreijährigen. Keiner hier wollte entsprechendes Geld bezahlen. Das Höchstgebot kam fünfjährig, aber diese Summe hat er seither in Renngewinnen fast verdoppelt. Wir haben ihn in den USA mit Lasix laufen lassen. Ich halte die Regel für ziemlich paradox, dass es hier bei uns solch gravierende Einschränkungen in dieser Sache gibt.”

Den Platz in der Russland-Zucht hat er sich redlich verdient. Es wird in wenigen Tagen die vorerst letzte Reise Caitanos sein. Die Turf-Gemeinde, nicht nur in Deutschland, auf der ganzen Welt wird ihn vermissen.

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