Am vergangenen Samstag hat er noch einmal seine Stärke zum Tragen gebracht, den für ihn typischen raschen Peitschenwechsel demonstriert. Zwar reichte es im Ex-Champion-Rennen aufgrund einer Störung im Einlauf nur zum dritten Platz, doch Georg Bocskai hat bewiesen, dass er von seinem Können, das ihn einst zum viermaligen Champion der Jockeys machte, wenig eingebüßt hat.
Gelegenheit, sich derart in Szene zu setzen, hatte der 44-jährige in letzter Zeit nur noch im Treffen der Oldies, also genau zweimal. 2001 hat er als Profi die letzten Rennen bestritten, am 2. Dezember in Neuss auf dem Kurdu-Schützling Nebrasko Abschied vom Rennsattel genommen.
Schluss – aus – es hatte einfach keinen Spaß mehr gemacht. Es war immer schwerer geworden, an Ritte zu kommen, damit blieben auch die Erfolge aus. Waren es in den Jahren zuvor immer so um die fünfhundert Ritte und die siebzig Siege gewesen, die am Saisonende zu Buche standen, so fiel die Zahl für 2001 mit 261 Starts und 21 Siegen mehr als ernüchternd, sogar enttäuschend aus. Jetzt sollte neues Terrain betreten werden, anderweitige Angebote warteten in Mallorca.
In Santa Ponsa gab es Arbeit in einem von den Eltern von Ehefrau Carmen betriebenen Lokal, „doch ich bin nun einmal kein Mann für ein derartiges Geschäft, auch keiner für den Bau‘, so der ‚Schorsch‘, wie er von den Kollegen allgemein genannt wurde.
Ehefrau Carmen ist zwar gelernte Hotelfachfrau, aber auch Inhaberin einer Trainerlizenz für Vollblüter, hat den Beruf aber bislang infolge mangelnder Gelegenheit nicht ausüben können. Doch ausgerechnet auf Mallorca, wo so manche neue Erfahrung gemacht wurde, aber auch manche Enttäuschung („wir hatten auch ein Angebot aus Deutschland, aus dem dann doch nichts wurde“) hinzunehmen war, wurde der Grundstein zur neuen Existenz als Galopper-Trainerin gelegt.
Durch eine zufällige Bekanntschaft. Carmen Bocskai führte auf ihrem mit ins Ausland gegangenen Classic Pleasure einen Touristenritt durch. Unter den Teilnehmern der Gruppe befand sich auch die siebzehnjährige Jenny Oberholzer, Tochter des Schweizers Jo Oberholzer.
Der 59-jährige ist Unternehmer, verdient auf vielfältige Weise sein Geld, war noch nie mit dem Galopprennsport in Berührung gekommen. Nach dem Ausritt kam man ins Gespräch, plauderte über alle möglichen Dinge. Auch darüber, dass für beide Seiten, Carmen Boskai und Jenny Oberholzer, Pferde im Mittelpunkt stehen.
Die Ältere mit den Galoppern und die Jüngere mit den Polopferden. Die Geschichten aus dem Galopprennsport weckten das Interesse von Jenny derart, dass sie demnächst das Metier wechseln wird. „Zuerst will sie im August 2004 die Amateurrennreiter-Prüfung ablegen, dann eine Lehre bei den Bocskais absolvieren. So die Pläne, die zwischen den beiden Parteien gemacht wurden und die Teil einer Zusammenarbeit zwischen Jo Oberholzer und ihnen sind.
„Die Begegnung auf Mallorca war ein göttliches Geschenk‘, so Jo Oberholzer, der dann auch dem neu gegründeten Stall den Namen Charisma gab. Dieser Stall Charisma soll zunächst einmal sechs bis acht Pferde unterhalten, „startfertige, damit man gleich kräftig loslegen und in die Rennereignisse eingreifen kann‘, wie es heißt.
Einen ersten Überblick, welche Pferde dafür in Betracht kommen, haben sich die Bocskais bereits verschafft, haben sich in einigen Kölner Ställen umgeschaut, wobei Georg Bocskai und auch die fünf Sprachen beherrschende Jenny Oberholzer in der Morgenarbeit im Sattel saßen.
„Es sollen halt vernünftige Startpferde sein‘, so die Maxime. Wann es losgehen wird, steht noch nicht genau fest, ob zum Meeting 2004 in St. Moritz oder später. Ein Zeitplan ist nicht vorgegeben, fest steht lediglich, dass man mit erfreulichen Resultaten starten will. Und zwar von Zürich-Dielsdorf aus.
Die Bahn, die am letzten Sonntag ihr fünf Renntage umfassendes Jahres-Programm 2003 mit dem Prix Jockey Club als wichtigste Prüfung abschloss, wird die neue Heimat der Bocskais. Carmen ist für das Training verantwortlich, Georg („der Mumm zum Rennreiten ist wieder da‘) wird ihr als Reiter zur Verfügung stehen und ein Comeback im Rennsattel feiern.
„Wir sind zurück im Rennsport. Da spielt es keine Rolle, dass es sich um die Schweiz handelt. Dieses Angebot, für den Stall Charisma zu arbeiten, ist eine Riesenchance für uns beide. Ich freue mich besonders für Carmen, dass sie endlich als Trainerin arbeiten und ihre Fähigkeiten entfalten kann‘ erklärte Georg Bocskai, der sich „ohne zu schwitzen ein Gewicht zwischen 57 und 58 Kilo vorstellen kann und sich wie ein Fünfundzwanzigjähriger fühlt.‘
Angesehen hat man sich die neue Heimat kürzlich, dabei auch die nötigen Papiere verschafft und die neue Wohnung besichtigt. Carmen hat sich vorher mit etlichen Aktiven aus der Schweiz unterhalten, die ihnen sämtlich zu diesem Schritt rieten. Der Umzug von Mallorca („es war eine lehrreiche Zeit, wir haben nette Leute kennengelernt. Doch die Arbeit mit den Warmblütern bot auf Dauer keine Zukunft‘) nach Dielsdorf mit Möbeln und Pferd Classic Pleasure ist für den 7. Oktober geplant.
Die Entscheidung zugunsten von Dielsdorf fiel, nachdem man sich einen Stall mit vierzehn Boxen in Hunzenschwil angesehen hatte, eine stillgelegte Anlage zwischen Zürich und Bern gelegen, für deren Modernisierung man jedoch erhebliche Mittel hätte aufwenden müssen. Genutzt werde sie in Zukunft dennoch, aber nur noch als Station für Rekonvaleszente und Durchgangspferde.
„Wir wollen arbeiten, unternehmen also etwas. Wer zu Hause bleibt, ist kein Unternehmer‘, lacht der Unternehmer Jo Oberholzer, der mit viel Energie das neue Vorhaben angeht, sich in die sportlichen Belange gar nicht einmischen will.
„Wir wollen mit vernünftigen Pferden Erfolg haben und auf diesem Weg neue Besitzer werben, eines unser vorrangigen Ziele‘, so der Spiritus Rector, der „sich damals bei dem Gespräch auf Mallora auf Anhieb mit dem Gedanken einer Stallgründung und eines Engagements im Galopprennsport angefreundet hat. Eine Fügung auf den ersten Blick‘, wie er es ausdrückte.
Ehe es an die Arbeit mit den Pferden geht, müssen die erst einmal vorhanden sein. Aus diesem Grund wird das Charisma-Team demnächst die Auktionen in München-Riem und Baden-Baden aufsuchen und sich die Rösser anschauen. „Das Geld brennt schon in der Tasche‘, lacht Jo Oberholzer und gibt zu erkennen, dass man „in den Startlöchern hockt.‘
Investitionen müssen getätigt werden, Investitionen, die sich in nicht zu ferner Zukunft auszahlen sollen. „Wir müssen unseren Trainingsstall zu einer guten Adresse machen, haben die besten Voraussetzungen dazu‘, meinen Carmen und Georg Bocskai übereinstimmend, um anzufügen „wann die ersten Pferde für uns laufen, ob schon früh im Jahr in St. Moritz oder später in Avenches, ist jetzt noch offen. Klar ist nur eins: Wenn begonnen wird, wird gut begonnen!‘